Rechtsanwalt Olaf Dilling, Experte für Verkehrsrecht, fasst das üble Vorgehen der RGR-Bremer Landesregierung zusammen: »Ein weiteres unrühmliches Kapitel der »never ending story«der Bremer Falschparker-Lobby. Allen voran Innensenator Ulrich »Gnadenlos« Mäurer. Aber auch der grüne Koalitionsparter hat sich hier nicht mit Ruhm bekleckert! Radfahrende Kinder oder Leute mit Rollstühlen kommen an den nun »normalisierten« Engstellen nicht vorbei und haben das Nachsehen.«
FINDORFF GLEICH NEBENAN dokumentiert nachfolgend die neuesten Entwicklungen zum illegalen Gehwegparken mit der aktuellen Presseerklärung von FUSS e.V., in der die Auswirkungen der Änderung der StVO erläutert werden.
Bundesrat: Gehwege sind zum Parken da
Der Bundesrat hat am 21. März beschlossen, dass künftig auf mehr Gehwegen das Parken zugelassen werden kann. Er verabschiedete dazu einen neuen Satz in den Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung.
Bisher waren sie in diesem Punkt klar: »Das Parken auf Gehwegen darf nur zugelassen werden, wenn genügend Platz für den unbehinderten Verkehr von Fußgängern gegebenenfalls mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr bleibt.« Wieviel Platz »genügend« ist, definiert wiederum die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen in ihren Regelwerken RaST und EFA: in Stadtgebieten, in denen Haus an Haus grenzt, mindestens 2,5 Meter. Dazu ausführliche Informationen hier.
Jetzt ist diese Klarheit mit zwei neuen Sätzen verwässert, den hinter dem oben zitierten Satz stehen zwei neu eingefügte: »Für die Beurteilung des unbehinderten Verkehrs sind die Länge der Verengung, das Verhältnis der für das Parken auf Gehwegen in Anspruch genommenen zur gesamten Gehwegfläche, die Dichte des Gehwegverkehrs und die Ausweichmöglichkeiten zu berücksichtigen. Erforderlich ist stets eine Gesamtwürdigung der jeweiligen Umstände.«
Dahinter steckt der Gedanke der Antragsteller aus dem Senat von Bremen: Wo man sich gelegentlich ausweichen kann, wo nicht so viele Leute gehen und wo vom gesamten Gehweg »nur« ein Teil zum Parken freigegeben wird, dort darf es so eng werden, dass man sich nicht mehr ungehindert begegnen können muss.
Aber damit ist die neue Vorschrift viel unklarer als die alte: Wie lang darf eine »Verengung« sein? Welches Verhältnis zwischen Geh- und Parkfläche ist angemessen? Aus welcher Dichte des Gehwegverkehrs folgt was? Und wie nimmt man mit drei unklaren Größen eine angemessene »Gesamtwürdigung der jeweiligen Umstände« vor?
Damit müssen sich erst die Verkehrsbehörden herumschlagen und dann wohl in vielen Fällen Gerichte. Das Tor zu einer Prozessflut ist offen. Nach jetzigem Kenntnisstand erscheint es uns sinnvoll, gerade am Anfang gegen eine Park-Anordnung auf Gehwegen jede Klagemöglichkeit zu nutzen.

Hintergrund: Bremens Falschparker-Lobby – und eine unsoziale SPD
Der Antrag zum Gehwegparken kam vom Land Bremen. Es war im Vorjahr vom Bundesverwaltungsgericht verurteilt worden, wirksam gegen illegales Gehwegparken vorzugehen – eine in Bremen weit verbreitete Unsitte, vor der der Senat der Stadt bisher beide Augen zudrückte. Den Prozess hatten FUSS-Mitglieder angestrengt. Jetzt meint Bremen einen Ausweg zu haben: Was bisher verboten ist, soll künftig legalisiert werden. Das bedeutet aber Verkehrs-Verheerung auf Dauer: In betroffenen Straßen müssen teils Schulkinder und Rollstuhlfahrer auf der Fahrbahn laufen, weil auf den Gehwegen kein Durchkommen ist. Doch Bremens Falschparker-Lobby ist laut, und der SPD-geführte Senat hört auf sie, auch wenn das extrem unsoziale Folgen vor allem für Ältere, Kinder und Menschen mit Behinderungen hat.
Menschen mit Behinderungen: Sowieso nicht wichtig
Der Bundesrat hat auch einen wichtigen Grundsatz aus Wissings Vorlage zu den Verwaltungsvorschriften gestrichen, der sich auf Regelungen zur Verkehrssicherheit bezog: Dabei ist die besondere Schutzbedürftigkeit der nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer und der Menschen mit Behinderung besonders zu berücksichtigen. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Verletzlichsten und Schutzbedürftigsten auf der Straße. Gegenüber Kindern, Älteren und Menschen mit Behinderungen ist es geradezu verächtlich.
Immerhin steht aber in den Verwaltungsvorschriften jetzt der Satz »Der Förderung der öffentlichen Verkehrsmittel sowie des nichtmotorisierten Verkehrs ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen.«
Positiv: Mehr Zebrastreifen und Tempo 30 auf Schulwegen
In anderen Punkten hat der Bundesrat Reformvorschlägen von Bundes-Verkehrsminister Wissing zugestimmt. Zebrastreifen können jetzt leichter angelegt werden. Es braucht nicht mehr den Nachweis, dass die Fahrbahnquerung ohne sie besonders gefährlich ist. Auch ist eine Tabelle nicht mehr rechtlich verbindlich, die pingelig definiert hatte, bei wieviel Fuß- und Autoverkehr ein Zebrastreifen angelegt werden kann und bei wieviel nicht. Diese Tabelle steht in der bisherigen Bundesverordnung »Richtlinien für Fußgängerüberwege (R FGÜ)«. Sie ist kein verbindliches Bundesrecht mehr. Andere Hemmnisse für Zebrastreifen bestehen aber weiter – mehr dazu hier.
Trotzdem lohnt es jetzt, vor Ort mehr Zebrastreifen zu verlangen. Wir werden dazu eine Kampagne starten und Hinweise erarbeiten, was Interessierte an Zebrastreifen tun können.
Tempo 30 auf Schulwegen – aber nicht den ganzen Tag.
Ein weiterer Fortschritt: An »hoch frequentierten Schulwegen« kann künftig auch auf Hauptstraßen des Kfz-Verkehrs Tempo 30 angeordnet werden. Die Definition von »hoch frequentiert« ist allerdings ziemlich kompliziert: »Hochfrequentierte Schulwege sind Straßenabschnitte, die innerhalb eines Stadt- oder Dorfteils eine Bündelungswirkung hinsichtlich der Wege zwischen Wohngebieten und allgemeinbildenden Schulen haben. Diese Wege können auch im Zusammenhang mit der Nutzung des ÖPNV bestehen. Ihre Lage ist begründet darzulegen. Sie kann sich auch aus Schulwegplänen ergeben, die von den betroffenen Schulen und der zuständigen Straßenverkehrsbehörde sowie ggf. Polizei und Straßenbaubehörde erarbeitet wurden.«
Es bleibt beim 50-30-Wirrwarr
Einen anderen Reformvorschlag Wissings verwässerte der Bundesrat: Bisher konnte Tempo 30 nur für höchstens 300 Meter lange Abschnitte angeordnet werden. Oft endet einer, und bald danach beginnt der nächste. Sie dürfen nun miteinander verbunden werden. Allerdings gibt es ein zweites Problem: Mal gilt das Tempolimit nur tagsüber, zum Beispiel an Schulen. Mal gilt es nachts, zum Beispiel in Wohngebieten zum Lärmschutz. Wissing wollte die zeitlichen Beschränkungen aufheben, auf Betreiben des Bundesrats müssen sie bleiben. Zwei Tempo-30-Strecken mit unterschiedlichen Geltungszeiten können aber nicht sinnvoll zu einer verbunden werden. Die Folge: Der Schilderwald bleibt dicht und Autofahrer werden leicht verwirrt, wo sich 50 und 30 in dichter Folge abwechseln – und 30 auch noch zu unterschiedlichen Zeiten gilt.
Flächen für Fuß und Rad: Umverteilung jetzt leichter
Durchgewunken hat der Bundesrat Wissings Initiative, den Kommunen eine leichtere Umverteilung von Verkehrsflächen zugunsten von Geh- oder Radraum zu ermöglichen – häufig auch dann, wenn das der »Leichtigkeit« des Autoverkehrs abträglich ist.
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