Die Frauen, selten auch Männer, die bei »Menschenskinners« in Findorff auftauchen, sind jung, sehr jung. Oft wurden sie von ihren Partnern verlassen, stecken nicht selten bis an den Hals in Schwierigkeiten, meist ohne finanzielle und berufliche Grundlage und ohne Herkunftsfamilie, die unter die Arme greifen könnte. Sie alle sind Eltern oder Schwangere, die sich trotz aller Konflikte entschieden haben, ihr Kind zu wollen. Doch klar ist auch: Allein schaffen können sie es nicht.
Ein simpler Beratungstermin oder eine einfache Geldspritze reichen nicht aus, um ihnen wieder eine Perspektive zu eröffnen. Es braucht für diese Alleinerziehenden mit ihren Kleinen einen Ort der Geborgenheit und langfristiger Förderung, bis sie wieder auf eigenen Beinen stehen können.
Sie sind Menschen und ihre Kinners, mit berührenden persönlichen Geschichten. Sie finden diese besondere Sozialarbeit beim gleichnamigen Verein »Menschenskinners« , auf den Findorff stolz sein kann. Pädagogische Fachkräfte begleiten den Aufbau der Eltern-Kind-Beziehung, beraten in Erziehungs- und Lebensfragen, begleiten eng durch die hoch individuellen Problemlagen und entwickeln mit den jungen Eltern schulische und berufliche Perspektiven, die oft direkt umgesetzt werden.
Buntes Treiben herrscht im Mutter/Vater/Kind Haus: 15 verschiedene Familiengeschichten und Schicksale lachen, lieben, schimpfen, arbeiten, chillen und kochen zusammen. Jede Kleinfamilie bewohnt für maximal drei Jahre eine eigene kleine Wohneinheit und gemeinsam werden Gemeinschaftsküche, Babyraum, Bewegungshalle oder der große Innenhofspielplatz genutzt.
M. zum Beispiel wohnt dort mit ihrem Sohn. Verunsichert und psychisch labil landete sie in der Einrichtung. Hier fasst sie Vertrauen, entdeckt eigene Begabungen, entwickelt langsam Selbstvertrauen - beginnt sogar eine Ausbildung, die ihr viel bedeutet. Eine feste Partnerschaft aufzubauen gelingt ihr nicht, dafür hat sie immer wieder kurze Freundschaften. M. wird wieder schwanger, mit dem Vater des Kindes keine Gemeinschaft mit längerer Perspektive möglich. Und wieder ist sie in einer schwierigen Situation, mitten in einem Leben, das auch ohne Schwangerschaft und Kleinkind schon kein Zuckerschlecken ist. In einer Klarheit, die auch die erfahrene Mitarbeiterin überrascht, entscheidet sich M. nun auch für ihr zweites Kind. Mit Menschenskinners kann sie es schaffen. Sie wird bleiben.
Viele Findorffer bleiben bei dem kleinen Find.us Secondhand-Laden von Menschenskinners stehen, bringen Kindersachen vorbei oder kaufen selbst Spielzeug oder Kleidung fürs Kind. Von den HausbewohnerInnen können die, welche Zeit und Interesse haben und momentan keine Ausbildung absolvieren, im Laden mitarbeiten. Es sind einfache Arbeiten: Socken in der Sockenkiste sortieren oder das Regal mit Hosen neu ordnen, das Schaufenster neu gestalten…
Sich ausprobieren, das Durchhalten üben, Selbstwertschätzung und Eigenwirksamkeit erfahren. Dieser wichtige Lernprozess hilft den jungen Frauen, ihr eigenes Leben zu meistern.
Die Kleinfamilien sind durch Spieletreff im Bürgerpark, Einkaufsmöglichkeiten im Stadtteil und viele Spielplätze in Findorff hervorragend integriert. Und wenn der Aufenthalt bei Menschenskinners dem Ende zugeht und die Wohnungssuche beginnt, ist Findorff immer ganz oben auf der Wunschliste.
In Politik und Gesellschaft diskutieren wir über Werbung für Abtreibung, Mangel an Abtreibungsärzten, Abtreibung unter Pandemiebedingungen. Es wird demonstriert und diskutiert.
Ich würde mir manchmal wünschen, wir würden uns parteiübergreifend genauso intensiv Gedanken darüber machen, wie wir für Menschen, die ihr Kind wollen und es alleine nicht schaffen, den steinigen Weg ebnen können. Das gehört zur DNA einer sozialen Stadt wie Bremen einfach dazu. Findorff macht mit »Menschenskinners« vor, wie es gehen kann. Nutzen Sie den Secondhand Laden! Spenden Sie gerne für kleine Extras! Oder geben sie einen Hinweis an Menschen, die in Schwangerschaftskonflikten ihr Kind haben wollen, aber Unterstützung brauchen! Dieses Findorffer Zuhause auf Zeit für werdende Familien auf steinigen Wegen hat eine größere Sichtbarkeit in unserer sozialen Stadt verdient.
Birgit Bergmann ist Wirtschaftspsychologin, Familientherapeutin und Sozialpädagogin. Die Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft (FDP) ist Sprecherin für Innen- und Sicherheitspolitik, Kinder, Bildung, Sport, Religion und Petitionen. Sie engagiert sich als ehrenamtliche Richterin beim Sozialgericht, Prädikantin der BEK, Kooperationspartnerin von Ketaaketi, Mitglied und Beirätin (z.B. bei Menschenskinners) weiterer sozialer Projekte und gesellschaftspolitischer Organisationen. www.birgitbergmann.de