STUMPF BETRACHTET: FOLGE 2


Wandel ohne Handel: die Zukunft der Innenstädte

Füllerei Unverpacktladen Findorff Findorffer Geschäftsleute Magazin Stadtteil Bremen Einzelhandel Gastro Restaurants essen gehen

Moin ! Als ich begann, mich mit dem Thema dieser Kolumne zu beschäftigen, dachte ich mir: »Alter, was für ein abgedroschenes Thema, auf das du dich da eingelassen hast.« Innenstadtentwicklung in deutschen Städten: Geht’s noch ? Seit ungefähr 25 Jahren schlage ich mich mit diesem Thema herum. Aufgewachsen als Sohn von Einzelhändlern in einem historischen, denkmalgeschützten, norddeutschen Innenstadtensemble bin ich quasi seit Geburt ein Betroffener. Und ich entkomme meinen Wurzeln nicht.

 


Ungefähr 25 Jahre Lebenszeit verbrachte ich in Arbeitskreisen, Foren, Zirkeln, Gemeinschaften, Gruppen und Grüppchen, Verbänden, Konferenzen und was es sonst noch so alles gibt. Mal war ich auf der einen Seite als Akteur, Arbeitskreissprecher, engagierter Bürger,mal war ich auf der anderen Seite als Planer, Ideengeber, Problemlöser und bezahlter Hoffnungsträger der Kommunalpolitik und der Verwaltungen. In der Rückschau herausgekommen ist jeweils nicht viel. Die Probleme haben sich nicht einmal verändert, sondern nur verstärkt: Nutzungsmonotonie, Leerstand, Verlust von Vielfalt und Identität, fehlende Aufenthaltsqualität und vieles mehr. Die Innenstädte sind gesellschaftlich weitgehend abgehängt, sie sind konsumorientierte Platzhalter für nicht vorhandenes Leben. Und ? Wer beklagt das ? Nur ein paar Randgruppen. Für die meisten geht es darum, mit dem Auto direkt vor irgendwelche Geschäfte fahren zu können, um den großen Flatscreen einzuladen, den sie dort ja gar nicht kaufen, weil dieser im Netz gerade ein Schnäppchen ist. Die Innenstadt als Marktplatz, Parkplatz, beides oder als Lebensraum ? Wer befindet darüber eigentlich ? Wem gehört das alles ?

 


Das Engagement der BürgerInnen ist gefordert.

Ich kann mich noch an die Goldgräberzeiten der Immobilienwirtschaft erinnern, als die großen Filialisten anfingen, ihre immer gleiche Langweiligkeit über die Innenstädte auszuschütten. Das war ihnen viel wert. Hohe Mieten bringen hohe Renditen. Inzwischen nehmen sie Reißaus. Zurück bleibt trister Leerstand. Auch auf den ganz großen Flächen. Was bleibt außerdem zurück ? Ratlosigkeit und die Hoffnung der Kommunen auf die rettenden InvestorInnen. Mal wieder. Während man sich allenthalben auf die Innenstädte konzentriert, findet ein ähnlicher Erosionsprozess auch in den Stadtteilzentren statt. Auch in diesen, zumeist bürgernah belebten Strukturen, häufen sich die Leerstände. Schöngeredet wird vom Wandel gesprochen. In Wirklichkeit handelt es sich um Verlust. Wandel ist dann vorhanden, wenn sich etwas gleichwertig verändert. Alles andere ist Entropie, Verlust, Untergang. Mit der Lupe auf den Innenstädten fehlt den Stadtteilzentren oft die notwendige

Aufmerksamkeit der Politik und der Verwaltungen. Ich bin fast geneigt von der Einsamkeit der StadtteilpolitikerInnen zu sprechen, sind sie doch von den übergeordneten Strukturen alleingelassen und merken das oftmals gar nicht. Sie beschäftigen sich stattdessen wie im Beirat Findorff mit Taubenhäusern, Hundefreilaufflächen und anderen Nebensächlichkeiten. Auch fragt man sich: Wer kann als LokalpolitikerIn eigentlich für sich in Anspruch nehmen, den Überblick über die Veränderungen in dem Zentrum seines Stadtteils zu haben ? An welche Stelle können negative Entwicklungen lösungsorientiert adressiert werden ? Wo sind die umfangreichen Förderprogramme wie bei den Innenstädten ? Die wegweisenden Konferenzen mit Glanz und Glamour ?

 

Es ist also wie es ist und damit es nicht so bleibt, ist das Engagement der BürgerInnen gefordert. Diese müssen sich organisieren und artikulieren. Sie müssen die Strukturen einfordern, die hilfreich unterstützen. Sehr gute Beispiele sind die Quartiersmeisterei in Walle, Gröpelingen Marketing e.V. oder das Stadtteilmarketing in Hemelingen, um ein paar Bremer Stadtteile zu nennen.

 

Für die großen Innenstädte fehlen in der Regel vergleichbare Strukturen, da diese investoren- und konzernlastig geprägt sind. Ich hatte mir fest vorgenommen, dazu mit einer großartigen Vision zur Rettung der Innenstädte diese Kolumne zu beenden. Daraus ist aber leider nichts geworden. Mir fehlt die Eingebung. Schade. Jetzt hilft nur noch zu beten:

 

Urbanio hilf ! Oh, Bremen, mein ! Wort bricht an müden Fassaden

Ob der Lösung Pflicht, den Weg – sie sehen ihn gerade nicht !

San Urbanio soll kommen, taumeln sie doch wie benommen

Zwischen Stadtgeflüster und Beharrlichkeit, Fenster auf, Bürger !

Macht Euch bereit ! San Urbanio hilf !

Zeig Dein Licht, Weisheit und Bürgerpflicht

Welt zieht auf alle Plätze, Bremen Stadtschätze,

Menschen, sich drängen, neu und aufgemacht

Bremen halt Dich bereit, es ist soweit Neues zuzulassen !

San Urbanio weck sie auf ! Küss sie munter, schenk ihnen Realität

Das Alte wird ihnen nicht genommen Das Neue gestalten sie – vollauf, San Urbanio komm, lad sie ein !

Du sollst ein Bremer sein !

Gebet an San Urbanio – dem Schutzpatron der Städte

im planlosen Wandel

 

Text: Karsten Stumpf, Fotocollage: privat, san4ezz, erschienen in Ausgabe 31 im Oktober 2024

 

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