Moin ! Heute steht meine Kolumne ganz im subjektiven Fokus meiner ganz großen Leidenschaft: Dem Fahrradfahren. Ja, ich bin Fahrradfahrer. Nein, keiner der Wahnwestenfraktion. Nein, kein Kampfradler. Nein, kein E-Bike-Rentner. Nein, keine Lastenradmutti. Nein und auch kein irrer, suizidverliebter Rennradfahrer. Oh – Stopp ! Letzteres vielleicht doch. Zumindest weiß ich als ehemaliger Radrennfahrer, mich auf dem Fahrrad – auch in brenzligen Situationen – zu bewegen. Unter dem Motto »Sicherheit durch Vorsprung« komme ich ganz gut durch den täglichen Verkehrsirrsinn. So, genug die Klischeetrommel gespielt. Worum geht es eigentlich ?
Die Stadt Bremen wird in einschlägigen Kreisen gerne als Fahrradstadt bezeichnet. Zumeist wird sie von den eigenen, hiesigen LobbyvertreterInnen aus Politik, Verwaltung, Vereinen und Verbänden so genannt. Man brüstet sich mit Bewertungen, Beurteilungen und Umfrageergebnissen, die angeblich besser sind als in anderen Städten. Bremen war gemäß dem Fahrradklimatest des ADFC noch die fahrradfreundlichste Großstadt (>500.000 Einwohner) in Deutschland. Das war 2022, glaube ich. Die »Schulnote« betrug 3,6. Keine Note, um sich darauf auszuruhen, aber man muss diese ja auch nicht unbedingt erwähnen. Im Städteranking von Greenpeace zur nachhaltigen Mobilität aus dem Jahr 2017 lag Bremen auf Platz 5 der deutschen Großstädte. Positiv benannt sind in der Studie drei Schwerpunkte, für die Bremen eigentlich gar nichts kann: Erstens: Bremen ist die Wiege des ADFC. Zweitens: In Bremen gibt es viel frische Luft. Drittens: Bremen hat einen Verkehrsverbund mit Niedersachsen. Auffällig ist aber, dass Bremen auch die Negativhitliste der Häufigkeit der Unfälle mit FahrradfahrerInnen und FußgängerInnen aller untersuchten Städte anführt. Habt Ihr das gewusst ?
Die Fahrradstadt Bremen als Unfallhauptstadt mit FahrradfahrerInnen ? Schauen wir mal nach. Oder, nein. Lassen wir das lieber. Statistiken kann jeder gerne selbst nachschauen. Steigen wir mal aufs Rad und fahren los. Ganz neu und viel gepriesen ist der Osterfeuerberger Ring. Neue Fahrbahn, neue Radinfrastruktur, neue PKW-Stellplätze, neue Gehwege. Alles gerade erst fertiggestellt unter der Regie des Amts für Straßen und Verkehr (ASV), im Jahr 2022 meine ich mich zu erinnern. Fahrt da mal lang. Nehmt mal den schön schlank gestalteten Linksabbiegerbypass in die Holsteiner Straße. Wenn ihr Glück habt steht ihr wie Freiwild zwischen zwei Lastkraftwagen. Ein abenteuerliches Erlebnis. Die zwingend rückwärts ausparkenden PKW, müssen beim Verlassen der schräg angeordneten Stellplätze den sogenannten Schutzstreifen für Radfahrende überqueren. Wenn es im Auto piept (wegen der Abstandswarner) klebt Ihr schon an den lackierten Stoßfängern. Sehen so fahrradgerechte Planung und Gestaltung aus ? Mitnichten.
Dies ist nur ein Beispiel. Nur wie kann das sein, dass einerseits die Fahrradfreundlichkeit der Stadt gepriesen wird, die jüngsten baulichen Maßnahmen dieses aber konterkarieren? Folgt die Behörde, die die Umsetzungen zu verantworten hat, den Rufen und Forderungen aus Politik und Verwaltung oder handelt sie entkoppelt auf der Basis völlig überholter Kenntnisse ?
Fahren wir weiter. Wie wäre es mit Findorff ? Habt Ihr schon mal Euer kleines Kind auf dem Fahrrad zur Kita oder zur Schule begleitet ? Ach, Euer Kind kann nicht auf den bevorzugten Gehwegen fahren? Da stehen lauter Autos – ja, ab und an auch Mülltonnen, Fahrräder, Sperrmüll und sonstiger Kram, aber hauptsächlich und jeden Tag und immer wieder Autos. Kein Durchkommen, da kann man nichts machen. Weder die Verkehrs- noch die innensenatorische Behörde ist – trotz einschlägiger Gerichtsurteile zum aufgesetzten Parken – Willens und in der Lage, etwas dagegen zu tun. Also, weiter geht’s. Verdammt Baustelle ! Wie muss, soll, kann ich jetzt fahren? Ach, ich kann gar nicht auf die Fahrbahn ? Der Weg, der ursprünglich mal Fahrradweg war, die Anforderungen an diesen aber nicht erfüllt und deshalb kein Fahrradweg mehr sein darf, den ich aber benutzen muss, da mich die PKWs sonst töten, hört einfach auf. Was soll ich tun ? Also doch ungeordnet in den Benzinverkehr einscheren und das Beste hoffen, während ich kurz danach zwischen den nervösen Karren an der roten Ampel stehe. So oder so ähnlich ist das bei der Durchquerung des Findorfftunnels eben.
Ich steige jetzt mal ab und hole mir ein Rollo. Beim Essen mache ich mir Gedanken, wie ich in einer für mich als Fahrradfahrer erst einmal grundsätzlich feindlichen Welt zurechtkommen kann und langfristig überlebe. Ich denke, ich passe mich mal besser an die Verhältnisse an, denke für die anderen VerkehrsteilnehmerInnen mit und radele vorausschauend. Es ist in Bremen wie in allen deutschen Großstädten: Der Fahrradverkehr und seine Infrastruktur hinken der eigenen Bedeutung deutlich hinterher. Die Autostadt ist noch lange nicht Geschichte. Die »Fahrradstadt« ist Suggestion und ein bloßes Etikett. Deswegen gilt auch für Bremen: »Nenn‘ mich nicht Fahrradstadt !«
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