Christiane Ordemann ist Rechtsanwältin seit 1991 und seit 1994 zugleich Fachanwältin für Arbeitsrecht. Weitere Schwerpunkte liegen im Verkehrsrecht, Miet- und Pachtrecht, bei einvernehmlichen Scheidungen sowie Forderungseinzug (Inkasso) und Wirtschaftsrecht. Christiane Ordemann lebt und arbeitet in Findorff, ist verheiratet und hat eine erwachsene Tochter. Weitere Informationen über das Anwaltsbüro von Christiane Ordemann in der Findorffstraße 106 gibt es auf www.christiane-ordemann.de
Christiane Ordemann, Sie sind in Findorff als Rechtsanwältin tätig und leben auch privat im Stadtteil. Was hat Sie vor mehr als einem Jahrzehnt bewogen, von Schwachhausen nach Findorff zu ziehen ?
Findorff ist einfach ein sympathischer Stadtteil. Ein weiterer Grund war die Nähe zu allem, was mir zur damaligen Zeit sehr wichtig war. Als Anwältin mit kleinem Kind habe ich damals nur in Teilzeit gearbeitet. Da war es natürlich toll, meine Tochter mal eben in ein paar Minuten vom Kindergarten und später von der Schule abzuholen – oder auch, dass sie einfach im Anwaltsbüro vorbeikommen konnte. Ich habe auch gedacht: Eigentlich kennst Du die meisten Menschen in Findorff und nicht in Schwachhausen – und, dass es doch gut gehen müsste. Genau so ist es dann auch gekommen.
Die Rechtswissenschaften und die juristische Tätigkeit gelten als eher trockene, sachliche Materie. Aus welchen persönlichen Gründen wollten Sie in jungen Jahren Anwältin werden ?
Das ist nicht ganz richtig: Ich wollte am Anfang nicht unbedingt Anwältin werden, aber mich hat im Studium das Fach Jura sofort unheimlich interessiert. Obwohl am Anfang des Studiums gleich 50 Prozent der StudentInnen das Handtuch warfen, war es bei mir ganz anders. Der Studiengang wurde für mich immer spannender ! Vielleicht lag das auch daran, dass wir damals in Hamburg unglaublich tolle ProfessorInnen hatten. Es ging in den intensiven Achtzigerjahren stark um Themen wie öffentliches Recht, Demonstrationsfreiheit und viele andere aufregende gesellschaftlichte Belange, über die ich juristisch immer mehr wissen wollte. Die Begeisterung für den Anwaltsberuf hat sich bei mir nach dem Studium ergeben. Während des Referendariats und mit dem ersten Job hat es mich richtig gepackt – von da an war Anwältin mein Traumberuf.
Zum Anwalt oder zur Anwältin geht man, wenn es Ärger und Konflikte gibt, die man auf »normalen« Wegen untereinander nicht mehr lösen kann. Ganz allgemein gefragt: Wie friedfertig ist Findorff, beispielsweise, wenn es um den in Deutschland beliebten »Volkssport« Nachbarschaftsstreitigkeiten geht ?
Ich muss Findorff wirklich eine 1+ mit Sternchen ausstellen. In über zehn Jahren gab es bei uns vielleicht eine Anfrage – und ich bin mir nicht einmal ganz sicher, ob die aus Findorff kam.
Kam die Anfrage vielleicht eher aus Schwachhausen ?
Das weiß ich nicht mehr, aber Nachbarschaftsstreitigkeiten kommen in meiner Kanzlei in Findorff erfreulicherweise tatsächlich so gut wie nicht vor.
»Der Rechtsanwalt ist hochverehrlich, obwohl die Kosten oft beschwerlich«, ist ein Zitat von Wilhelm Busch. Gerichtliche Auseinandersetzungen kosten schnell viel Geld. Bis zu welchem Punkt sollte man versuchen, sich von Mensch zu Mensch zu einigen – und ab wann sollte man rechtliche Beratung als Unterstützung in Anspruch nehmen ?
Das kann ich so allgemein nicht beantworten, aber man muss nicht unbedingt sofort zur Anwältin oder zum Anwalt gehen. Solange es möglich ist, einen Konflikt selbst zu regeln, sollte man es versuchen. Bei mir landen diejenigen Auseinandersetzungen, die auf diesem Weg nicht mehr beizulegen sind. Eine wichtige Empfehlung: Man sollte einmal die eigene Sichtweise kurzfristig verlassen, sich gedanklich in seinen »Gegner« hineinversetzen und versuchen aufeinander zuzugehen. Warum ? In der Praxis ist es tatsächlich so, dass die meisten Streitigkeiten, die vor Gericht landen, irgendwann schlussendlich doch einvernehmlich beigelegt werden. Die Alternative ist teuer: Je länger und umfassender man prozessiert, desto höher werden ja nicht nur die Anwalts- und Gerichtskosten. Es fallen schnell auch weitere Kosten für eventuell notwendige Sachverständige an. Da ist es häufig wirtschaftlicher, sich bei einem vernünftigen Kompromiss zu treffen. Die vor Gericht gefundene Einigung mag für beide Beteiligten manchmal etwas schmerzlich sein, aber meist können beide Seiten später damit ganz gut leben. Dafür lohnt es sich, als Anwältin hart zu kämpfen.
Ich kann mir vorstellen, dass man im Anwaltsberuf verschiedene Menschen mit ihren unterschiedlichen Persönlichkeitseigenschaften sehr gut kennenlernt. Ist das so ?
Das ist richtig. Manchmal wundert man sich, wer alles so auf dieser Welt unterwegs ist – aber genau das macht für mich den Beruf ja auch so interessant und ich engagiere mich natürlich sehr gern für meine MandantInnen.
Welches sind die rechtlichen Fachgebiete, bei denen man Ihre anwaltliche Kompetenz in Anspruch nehmen sollte ?
Mein großer Schwerpunkt ist das Arbeitsrecht, das ungefähr die Hälfte meiner anwaltlichen Tätigkeit ausmacht. Zudem mache ich sehr viel Verkehrsrecht, Scheidungsrecht, aber auch Erbrecht und Zivilrecht.
Was ist, wenn sich jemand mit einen Konfliktfall in einem Fachgebiet an Sie wendet, das Sie nicht abdecken wollen ?
Diese Fälle gibt es schon. Wenn bei mir Rechtsgebiete angefragt werden, die ich nicht leiste, bin ich sehr gern behilflich, eine anwaltliche Beratung zu finden, die darauf spezialisiert ist. Ich selbst habe ja auch nichts davon, wenn ich in fremden Rechtsgebieten wildere, in denen mir die praktische Erfahrung fehlt. Ich empfehle dann gern weiter und bekomme später oft positive Rückmeldungen: Danke für den Tipp; der war gut.
Sie beraten auch bei einvernehmlichen Scheidungen. Warum machen Sie nur einvernehmliche Scheidungen ? Sind klassische »Rosenkriege«, bei denen zwischen den EhepartnerInnen so richtig emotional die Fetzen fliegen, nicht Ihre Sache ? Oder mögen Sie als Anwältin etwa in Wahrheit keinen Streit ?
Selbst einvernehmliche Scheidungen sind nicht einfach, aber grundsätzlich ist es überwiegend so, dass bei anstehenden Trennungen in den meisten Fällen die PartnerInnen sich auch schnellstmöglich scheiden lassen wollen. Dann kommt es darauf an: Worüber streitet man sich noch ? Was ich für mich persönlich entschieden habe: Ich möchte mich nicht damit verschleißen lassen, wenn sich beide Parteien nicht darüber verständigen können, wer welches Möbelstück, welche Tasse oder welchen Silberlöffel bekommt. Eine gerechte Aufteilung bekommen die meisten Menschen heute schon ganz gut hin. In einem Scheidungsverfahren gibt es allerdings noch mehr Punkte zu beachten. Bezüglich des Zugewinnausgleichs kann es da schon schwieriger werden, beispielsweise wenn es um die Eigentumswohnung oder das Einfamilienhaus geht. Da ist eine fachlich kompetente Beratung gefragt. Wenn man sich da einigen kann, sind häufig noch ein Notar oder eine Notarin als neutrale Stelle erforderlich, um eine Einigung über die Übertragung von Immobilien oder einen Erbverzicht zu beurkunden. Das darf ich als Anwältin und Interessenvertreterin nicht. Aber die umfangreichen Vorarbeiten, bis es zu dem Gang zum Notar kommen kann, mache ich natürlich schon. Danach kann ich eine einvernehmliche Scheidung betreiben. Nicht nur vor dem Hintergrund, dass die EhepartnerInnen ja sehr lange vermutlich glücklich zusammengelebt haben, finde ich es sehr wichtig, dass man durch eine einvernehmliche Scheidung auch wirtschaftlich einen guten Weg findet, wie man sich am Ende wieder auseinanderdividiert. Generell sollte man bei einer Trennung menschlich miteinander umgehen. Ein fairer Umgang miteinander ist in dieser Krisensituation besonders dann wünschenswert, wenn es auch um die gemeinsamen Kinder geht – denn die leiden bei einer Scheidung ohnehin schon mehr als genug. Sorge- und Umgangsrecht biete ich daher als Anwältin ganz bewusst nicht an. Als Mensch würde ich zu sehr an die Kinder denken: Ich wäre sehr schnell zu sehr emotional beteiligt. Zu viele persönliche Emotionen möchte ich als Anwältin zugunsten der Professionalität nicht zulassen.
Testament, Patientenverfügung und auch Vorsorgevollmacht gehen jeden etwas an. Was raten Sie unseren LeserInnen ?
Es herrscht der Irrglaube vor, dass diese Themen einen erst etwas angehen, wenn man steinalt ist. Das stimmt natürlich nicht: Passieren kann einem leider jederzeit etwas, auch wenn man noch jünger ist. Wenn man seine Patientenverfügung als erwachsener Mensch klar geregelt hat, nimmt man den Angehörigen viel Verantwortung ab, wenn im Ernstfall doch etwas Schlimmes eintritt. Gleiches gilt auch für die Vorsorgevollmacht. Alle hoffen natürlich, dass man die nicht braucht, aber man lebt mit Sicherheit ruhiger, wenn alles gut überdacht und geregelt ist. Zum Thema Testament gibt es unter Juristen den Spruch »Verheiratete Paare ohne Kinder brauchen ein Testament. Verheiratete Paare mit Kindern brauchen auch ein Testament.«. Da stellt sich natürlich die Frage: Wer braucht eigentlich kein Testament ? Insofern ist auch ein Testament wichtig, um eigene Vorstellungen und Wünsche entsprechend eindeutig definiert zu haben.
Sollte man Testament, Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht eigentlich regelmäßig alle paar Jahre erneuern ?
Bei einer Patientenverfügung soll jemandem klar an die Hand gegeben werden, was passieren soll, wenn man selbst nicht mehr einwilligungsfähig ist. Wenn eine Patientenverfügung zehn Jahre alt ist, entspricht der Inhalt vielleicht nicht mehr den ursprünglichen Gegebenheiten. Jemand der 50 Jahre alt ist, regelt die Dinge unter Umständen anders als jemand, der 75 Jahre alt ist. Deshalb sollte man in zeitlichen Abständen immer wieder schauen und bei Bedarf neu anpassen. Auch ein Testament ist nicht für die Ewigkeit in Stein gemeißelt. Es können sich beispielsweise die familiären Verhältnisse ändern. Insofern ist es wichtig, in zeitlichen Abständen sich selbst zu fragen: »Ist es so, wie es ist, noch in Ordnung für mich ?« Wer sich seiner Einschätzung nicht sicher ist, sollte um Rat fragen.
In der »Zeit« stand einmal: »Das Gute an den Juristen ist, dass man sie sofort erkennen und rechtzeitig die Flucht ergreifen kann, wenn man keine Lust verspürt, von ihren herablassenden Blicken gemustert zu werden.« Anwälte gelten wahlweise als elitär, staubtrocken und nur an Paragraphen interessiert. Sie wirken sehr offen und bodenständig – und spielen privat in Ihrer Freizeit in einer Band Saxophon. Wie kam es dazu ?
Alles begann durch ein Geschenk zu meinem 50. Geburtstag, zu dem ein Freund einen Live-Auftritt eines Trios mit ihm selbst als Saxophonisten organisiert hatte. Das Geschenk war nicht ganz ohne Hintergedanken, weil es mein Traum war, Saxophon spielen zu lernen. Das Saxophonspiel habe ich nach der Feier gleich in Angriff genommen. Einer der Musiker wurde mein Saxophonlehrer – und nach kurzer Zeit konnte ich in einer Freizeitband mitmachen.
Ist das Saxophon ein kreativer Ausgleich zum Anwaltsberuf ?
Unbedingt ! Musik zu machen ist für mich ein toller Ausgleich, weil man sich dabei mit anderen Musikbegeisterten trifft und sich auf ganz andere Dinge als im Berufsalltag konzentriert.
Interview: Mathias Rätsch, Foto: Kerstin Rolfes, Interview erschienen in Ausgabe Nr. 9, 2019