Nicht nur für Menschen mit einer Beeinträchtigung und Kindern ist das Fortkommen im Alltag ist in einem verdichteten Stadtteil wie Findorff auf den illegal zugeparkten Straßenzügen nahezu unmöglich.
Dabei sollte auch die Wahrung der Rechte von mobilitätseingeschränkten Menschen mit Rollatoren und Rollstühlen und Kindern eigentlich auch in unserem Stadtteil eine Selbstverständlichkeit sein.
Jetzt zeigt sich seit einigen Wochen im eigentlich aufgeklärt-liberalen Findorff: Wenn es konkret wird, die Rechte von schwächeren VerkehrsteilnehmerInnen, die sich auch ausdrücklich in den Vorgaben zur Auslegung und Umsetzung der StVO durch die Verwaltung wiederfinden, endlich auch bei uns im Stadtteil umzusetzen, wird es schnell seltsam.
Verbal fordert man in schnöden Lippenbekenntnissen die Rechte von mobilitätseingeschränkten Menschen mit Rollatoren und Rollstühlen und Kindern SELBSTVERSTÄNDLICH auch, aber diese Rechte tatsächlich mittels »Bewohnerparken« endlich konsequent auch im Stadtteil umsetzen? Dagegen gibt es dann plötzlich ganz viele Bedenken. Angst (vor Veränderung) essen Seele auf? Wohl weniger. Stattdessen: MEIN Auto. MEIN Gewohnheitsrecht. MEIN »Parkplatz«.
Da befürchtet eine lautstarke Interessengemeinschaft seit Monaten durch die klare Ausweisung von tatsächlichem Parkraum »die Verödung unseres Stadtteils«. Ist das irgendwie bei den Findorffer Immobilienpreisen tatsächlich berechtigt oder vielleicht einfach nur imageschädigend gegenüber dem eigenen Stadtteil?
Da argumentieren Immobilienbesitzer, dass sie sich im Stadtteil »angesiedelt« haben mit der Möglichkeit, in »ihrer« Straße zu parken. Öffentlicher Raum ist nicht »ihre« Straße, in der man illegal sein Auto abstellen kann. Öffentlicher Raum gehört allen VerkehrteilnehmerInnen.
Da fragen offensichtlich uninformierte Beiratsmitglieder aus ansonsten brav rechtsstaatlich orientierten Parteien plötzlich ernsthaft in einem Antrag: Welche Ausnahmen von der Straßenverkehrsordnung (StVO) können wie gemeinsam »erwirkt werden?«
Da postet der SPD Ortsverein Findorff tatsächlich mitten im Bundestagswahlkampf ein Video, indem weitestgehend faktenfrei über das Thema »Bewohnerparken« und den Wegfall von 400 Parkplätzen lamentiert wird, die nie welche waren. Und: Aufgesetztes Parken soll verboten werden? Immer noch nicht begriffen? Halb aufgesetzten Parken war schon immer verboten, weil es schlichtweg illegal ist und auf den engen Bremer Gehwegen zu erheblicher Behinderung des Fußverkehrs führt.
Was diese Beiratsmitglieder eigentlich wissen sollten: Von der Straßenverkehrsordnung können »gemeinsam« keine Ausnahmen »erwirkt« werden: Die Straßenverkehrsordnung ist Bundesrecht. Das gilt auch für Bremen und sogar in Findorff.
Gehwegparken beispielsweise darf nur angeordnet werden, wenn genügend Platz für den unbehinderten Verkehr von Fußgängern gegebenenfalls mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr bleibt. Das ist in Findorff auf den schmalen, zugeparkten Gehwegen so gut wie nicht der Fall.
Echte oder vorgeschobene Unwissenheit entschuldigt am Ende eines jahrelangen Prozesses nicht alles: Ich finde die vorgebrachten Argumente mit ihrer fatalen Mischung aus Egozentrik und Egoismus besonders mit Hinblick auch die schwächsten VerkehrsteilnehmerInnen mittlerweile weitaus ärgerlicher als nur peinlich.
Ich finde sie in ihrer Selbstbezogenheit letztendlich verlogen.
Mathias Rätsch ist Herausgeber von FINDORFF GLEICH NEBENAN, der Stadtteilzeitschrift für Handel, Dienstleistung, Kultur und Politik. Der Diplom-Designer, Texter und Kommunikationswirt ist Initiator des Stadtteilportals www.findorff-gleich-nebenan.de. Er hat kein Auto und seine Position zum Bewohnerparken ist noch nicht eindeutig, aber Mathias Rätsch ist ein größer Anhänger von Transparenz und Bürgerbeteiligung – und von der Einhaltung von Regeln: in diesem Fall die der Straßenverkehrsordnung. Das sich in Findorff viele AutofahrerInnen nicht an die Verkehrsregeln halten und Fußwege und Kreuzungen dreist zugeparkt werden, kennt er als Fußgänger nur zu gut. Weil sich dieser Zustand seit Jahren nicht ändert und ordnungspolitisch offensichtlich geduldet wird, sieht er Bewohnerparken als eine mögliche Konsequenz, ganz wie der Hamburger Verkehrsexperte Thomas Adrian, der sagt: »Nichts zu unternehmen, ist keine Option.«