WARUM ISA FISCHER NICHT MEHR STÄNDIG VOR DEM COMPUTER SITZEN WOLLTE


Okay, ich zeichne ab morgen 100 Bremer Häuser!

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Isa Fischer ist gebürtige Bremerin. Bereits während der Zeit ihres Studiums an der Hochschule für Künste Bremen bei Jobst von Harsdorf und Wolfgang Schmitz gehörte für sie das Skizzenbuch zur täglichen Grundausrüstung. Das Zeichnen vor Ort, direkt vor dem Objekt, ist bis heute die Grundlage für die Inspiration, die die Diplom-Grafikdesignerin zur Ideenfindung für ihre grafischen Arbeiten benötigt. Über die Jahre füllten sich auf Reisen durch Europa und darüber hinaus sowie in den Bremischen Häfen zahlreiche Zeichenbücher, die sie ebenso wie einen jährlichen Kalender und diverse Postkartenmotive im Eigenverlag publiziert. Ein wesentlicher Schwerpunkt der Stadtzeichnerin sind darüber hinaus Auftragsarbeiten – vom Bremer Haus bis zu historischen Gebäuden – wie zuletzt das »Haus des Reiches«; eher bekannt als Finanzamt. Mehr Informationen und Bestellmöglichkeiten auf www.hausgezeichnet.info und www.duplio.de 

 


Isa, Du bist wahrscheinlich die einzige bekannte Stadtzeichnerin Bremens. Irgendwann hast Du Deinen Arbeitsplatz vor dem Computer verlassen und bist hinaus in die Stadt, um im Freien zu zeichnen. Was war der Grund ?

 

Ich bin Grafik-Designerin. Das hieß für mich viele Jahre ständig am Computer zu arbeiten – und ausschließlich drinnen zu sitzen. In diesem Beruf gestaltet man zum Beispiel Broschüren oder entwirft Logos. Das habe ich sehr lange gemacht und mache ich auch weiterhin. Illustrationen waren früher nur ein relativ geringer Teil meiner Arbeit. Irgendwann aber wollte ich nicht mehr nur ständig vor dem Computer sitzen und auch mehr zeichnen. Ich habe mir damals überlegt: »Was kann ich machen, um aus dem Haus zu kommen ?« Die Stadt und ihre Menschen haben mich schon immer interessiert. Ich sitze auch gern draußen, um Leute in der Umgebung zu beobachten.

 

Als Stadtzeichnerin zeichnest Du Bremer Häuser, aber auch Industriebauten und Hafenanlagen. Wie kam es dazu ?

 

November 2012 saß ich mit einer Freundin und Kollegin zusammen. Wir tauschen uns seit jeher viel aus, weil jede von uns alleine arbeitet. Wir haben gemeinsam überlegt, wie lange ich schon zeichne – zu der Zeit vorrangig auf Reisen. Wir haben weitergedacht, wie man das Zeichnen zu einem Arbeitsschwerpunkt machen könnte. Ich habe irgendwann spontan gesagt: »Okay, ich zeichne ab morgen ›100 Bremer Häuser‹  !« Das passte auch gut. Ich wohnte ja in Bremen, war auch zuhause sehr engagiert und meine Kinder waren zu der Zeit noch in einem Alter, in dem ich sie noch nicht allzu oft alleine lassen wollte. Also habe ich vor der eigenen Haustür in Findorff angefangen, Häuser in der näheren Umgebung zu zeichnen, um kurze Arbeitswege zu haben. Inzwischen sind meine Kinder groß und ich kann jetzt besser auch Aufträge in anderen Städten wahrnehmen, wenn man mich über www.hausgezeichnet.info bucht.

 

Zeichnest Du zu jeder Jahreszeit bei jedem Schmuddelwetter ?

 

Ja, ich zeichne das ganze Jahr über und damit auch bei fürchterlich kaltem Wetter. Wenn es richtig kalt ist, sind die Farben nicht das Problem. Das Problem ist: Ich kann bei niedrigen

Temperaturen nie sehr lang zeichnen, weil ich mir spätestens nach einer Stunde Hände und Füße aufwärmen muss, obwohl ich bei winterlichen Temperaturen dick angezogen bin. Ziemlich problematisch ist Regenwetter. Wenn es regnet und die Tropfen auf mein Papier fallen, kann ich nicht arbeiten.

 

Wie wird man als Zeichnerin vor Ort wahrgenommen ?

 

Oft sind Leute zunächst sehr skeptisch, wenn sie mich von weitem sehen. Es ist ja wirklich auch sehr ungewohnt, dass jemand mit einem mitgebrachten Stuhl irgendwo auf dem Bürgersteig, am besten noch im Weg, sitzt und auf ein Haus starrt. Ich hoffe dann immer, dass die Leute nachfragen oder einfach auf das Blatt schauen. Dann hellt sich die Miene meistens schnell auf, sie sind oft angetan und es entsteht ein nettes Gespräch. Manchmal hat sich sogar schon jemand spontan entschieden mich auch für das eigene Haus zu beauftragen. Für einen Kunden habe ich letztens eine Baustelle auf einer Mülldeponie gezeichnet. Da gibt es verschiedene Maschinen und Fahrzeuge und die Mitarbeiter, die diese bedienen. Zunächst waren die Bauarbeiter dort auch überrascht, als ich mich da mit meinem Stuhl halb im Matsch eingesunken, platziert habe. Nach und nach kamen alle mal vorbei und schauten zu. Ich habe es so empfunden, dass sie mein stundenlanges Zeichnen als Wertschätzung ihrer Tätigkeit gesehen haben, was sicher vom Auftraggeber auch so gewünscht war.

 

Wie oft kommt die Frage: »Kannst Du davon leben ?«

 

Witzigerweise wird diese Frage einer Stadtzeichnerin gar nicht gestellt. Danach fragt man eher CartoonistInnen. Gefragt werde ich eher, ob das Zeichnen mein Hobby oder mein Beruf ist – und es wird sehr schnell nachgeschoben: »Ja, klar, sieht man auch, dass das Dein Beruf ist.« Ich habe den Eindruck, die Leute sind auch der Meinung, dass eine Stadtzeichnerin gut bezahlt ist.

 

Und ist das so ? Kannst Du von Deinen Zeichnungen leben ?

 

Nein, momentan nicht. Ich arbeite auch weiterhin für Jobs als Grafik-Designerin und finde die Abwechslung sehr schön. Ich habe als Grafik-Designerin langjährige StammkundInnen, die über das ganze Jahr Aufträge für mich haben. Verschiedene Aufgabenstellungen gefallen mir gut. Grafik-Design und meine Arbeit als Stadtzeichnerin machen anteilig jeweils 50 Prozent meiner Tätigkeit aus. Ich habe deshalb bisher gar nicht versucht, das Zeichnen auszubauen, um allein davon zu leben. Ich könnte sicherlich nur als Stadtzeichnerin existieren, wenn ich es versuchen würde. Das möchte ich aber nicht. So wie es ist, ist es gut.

 

Bisher sind von Dir fünf Bücher erschienen, die Du über den von Dir gegründeten »Duplio Verlag« herausgibst. Warum setzt Du auf eine Vermarktung Deiner Werke im Eigenverlag ? 

 

Nachdem ich meine ersten »100 Bremer Häuser« ausgestellt hatte und darüber in der Presse berichtet worden war, kamen Verlage auf mich zu, um mir anzubieten, einen Bildband mit dem gleichen Namen herauszubringen. Ich habe mich sehr geehrt gefühlt und gleich zugestimmt. Bei den Gesprächen über die Konditionen wurde jedoch klar, dass ich die ganze Arbeit habe, jedoch nur zu einem kleinen Prozentsatz am Gewinn beteiligt werden würde. Das Buch sollte nur aus Zeichnungen bestehen und die Gestaltung wollte ich auch übernehmen, da das meinem Beruf als Grafik-Designerin ja ohnehin entspricht. Da habe ich mir überlegt, dass man dieses Buch fast nur in Bremen anbieten kann und dass ich den Vertrieb in dem Fall vielleicht auch selber übernehmen könnte. Bei überregionalen Drucksachen ist das sicher nicht möglich. Ich fahre bis heute mit dem Fahrrad los, um den Buchhandlungen meine Bücher anzuliefern. Die Finanzierung einer Auflage ist natürlich ein Problem. Die Druckkosten sind hoch, wenn man eine lokale Druckerei nehmen möchte und zum Beispiel keine aus Asien. Ich fand es besser, wenn alles aus Bremen kommt: Die Motive, die Druckerei, ich selbst. Es dauert Jahre, bis man so viele Bücher verkauft hat, dass man auch nur die Druckkosten bezahlen kann. Meine Druckerei, mit der ich schon lange als Grafikerin zusammengearbeitet hatte, hat mir ein sehr großzügiges Zahlungsziel eingeräumt, sodass ich erst mal Zeit hatte, einige Exemplare unter die Leute zu bringen, bevor die Rechnung kam. Das hat mir die Entscheidung erleichtert, selber zur Verlegerin zu werden. Danach habe ich es immer so gemacht, dass ich ein neues Buch geplant habe, sobald das vorherige sich finanziell langsam in die schwarzen Zahlen bewegte.

 


Es gibt in Findorff wenig Berührungsängste.

Wie war es für Dich Vertriebskanäle aufzubauen, um potentielle KäuferInnen für Deine Publikationen zu erreichen ?

 

Auch das ist bei mir ja eher unüblich. Am Anfang habe ich eine Idee. Daraus entsteht ein Projekt wie »100 Bremer Häuser«. Während der Zeit des Projektes zeichne ich öffentlich. In dieser Phase erzähle ich allen, die mich ansprechen, dass ich aus den Zeichnungen ein Buch machen möchte. Darüber entstehen Kontakte. Aus den Kontakten entstehen Ausstellungen und über die Ausstellungen Wege zu KäuferInnen. Ich sage zu den Leuten: »Kommen Sie doch vorbei !« und lade alle zu meinen Ausstellungen ein, die ich während des Zeichnens getroffen habe. Auf den Ausstellungen gibt es die Originale und meine Bücher zu kaufen. Oder aber ich stehe auf dem Weihnachtsmarkt in der »Unteren Rathaushalle« und zuletzt auf der »Büchermeile« der »Buchhandlung Storm« in der City. Ich mache alles selbst und höchstpersönlich. Natürlich gibt es meine Bücher, Plakate und Postkarten auch ohne mich in den Bremer Buchhandlungen.

 

Du wohnst mit Deiner Familie seit vielen Jahren in Findorff. Du bist bei uns und in ganz Bremen eine bekannte Größe. Wie erlebst Du als Künstlerin die Menschen im Stadtteil ?

 

Ich habe zuvor in anderen Stadtteilen gelebt, bin jetzt aber die längste Zeit in Findorff und war auch über meine Kinder, die hier aufgewachsen sind, von Anfang an über Krabbelgruppe und Kindergarten gut vernetzt. Die FindorfferInnen erlebe ich als sehr aufgeschlossen, auch in Bezug auf meine Arbeit. Man lernt sich meistens zunächst privat kennen. Irgendwann fragt man dich, was Du beruflich machst. Es gibt in Findorff wenig Berührungsängste. Als es im letzten Jahr erstmals meinen Kalender gab, kamen viele FindorfferInnen, haben an unserer Tür geklingelt und quasi im »Außerhausverkauf« ein Exemplar erstanden. Diese sehr direkte Art, verbunden mit kurzen Wegen, um sich zu treffen, mag ich sehr. Es ist auch gut, meine Werke in den Buchhandlungen zu erwerben, aber wenn die NachbarInnen dafür persönlich vorbeikommen, finde ich das klasse.

 

Dein Lieblingsort zum Entspannen ist das »Artemis« in der Neukirchstraße. Dort sieht man Dich zumindest sehr oft in lockerer Runde speisen. Hast Du das griechische Restaurant schon einmal gezeichnet ?

 

Ja, das habe ich mal in klein in mein Skizzenbuch gezeichnet, einen Auftrag hatte ich dazu bisher nicht. Das »Artemis« hat so eine Eckkneipen-Funktion für mich. Bei gutem Wetter sitzt man dort vor dem Haus und trifft Nachbarn und Bekannte ohne sich vorher groß zu verabreden. Die Auswahl der Kneipen in unserer Gegend ist nach dem jähen Ende der »Orange« ja leider noch überschaubarer geworden. Wenn ich den ganzen Tag alleine gearbeitet habe, möchte ich abends nicht auch noch drinnen sitzen, sondern ein bisschen Gesellschaft haben. Ich fahre sehr oft nach Griechenland. Die Geselligkeit dort liegt mir viel mehr als das eher norddeutsch »Zurückgezogene«, das wahrscheinlich aber auch viel mit dem Wetter zu tun hat.

 

Wie viele Häuser hast Du bisher in Bremen verewigt ?

 

Das würde ich auch gern wissen ! Ich mache das jetzt sieben Jahre und müsste alle Zeichnungen wirklich einmal durchzählen. Ich schätze, es sind ungefähr um die 500 Häuser, Plätze, Schiffe und Hafenanlagen, die ich bisher gezeichnet habe.

 

Ist das Thema »Bremer Häuser« unendlich oder irgendwann ausgereizt ?

 

In einem einzigen Leben kann bestimmt niemand alle Bremer Häuser zeichnen, also würde ich das Thema als unendlich bezeichnen. Auftragsarbeiten gäbe es hier noch genug für mich. Ein weiteres Buch allgemein über Bremen würde ich wohl nicht mehr machen, es sei denn zu einem speziellen Thema. Die FindorfferInnen wünschen sich ja immer etwas speziell über ihren Stadtteil. Zum Beispiel waren einige Menschen aus dem Stadtteil letztes Jahr enttäuscht, dass mein Kalender 2019 Motive aus ganz Bremen zeigte und keins aus Findorff. Mich inspirieren ja eher historische Gebäude und davon haben wir wir außer dem »Kulturzentrum Schlachthof« und das »Alte Pumpwerk« eigentlich nicht so viele hier.

 

Mir fällt im Stadtteil noch die ehemalige Stuhlfabrik ein…

 

Ja, stimmt. Die habe ich auch schon gezeichnet. Vielleicht gibt es doch demnächst einen Kalender mit Findorff-Motiven.

 

Es ist zwar noch nicht so weit, aber die Vorweihnachtszeit rückt näher und bald klopft der Weihnachtsmann an der Tür. Was sollte er als Geschenk unbedingt mitbringen ?

 

Er sollte selbstverständlich meinen Kalender »Bremen 2020 Stadtansichten« mit neuen Zeichnungen dabei haben. Die Erstauflage beträgt 500 Exemplare, ist seit August im Handel und wird sicherlich bald vergriffen sein. 

 

Neben dem jährlichen Kalender gibt es auch ein neues Buch von Dir, das als Thema »Mühlen, Schlösser, Fachwerk zwischen Weser und Hunte« hat. Was war die Idee hinter dem neuen Buch ? 

 

Die Idee entstand, als ein Kunde mich buchte, um sein Haus in Schwarme zu zeichnen. Durch diesen Auftrag lernte ich die Gegend näher kennen – und fand sie wunderschön. Über den Kunden habe ich noch mehr über die von ihm sogenannten »Perlen der Region« erfahren, die ich danach kennenlernen wollte. Es gibt dort tolle historische Gebäude und Fachwerkhäuser, die als Sujets ideal sind – zumal ich sowieso den Wunsch hatte, auch im Umland zu arbeiten. Es stellte sich heraus, dass besagter Kunde sehr viel Wissen über diese Gebäude hat. Er bot mir von sich aus an, die Texte für das neue Buch zu schreiben. Er selbst bezeichnet sich als einen kulturell interessierten Kommunalpolitiker. Wir haben gemeinsam eineinhalb Jahre an dem neuen Buch gearbeitet, das gerade aktuell erschienen ist. Auch »Mühlen, Schlösser, Fachwerk zwischen Weser und Hunte« ist ein sehr schönes Weihnachtsgeschenk – wie der Titel bereits verrät, diesmal mit ganz anderen Motiven.

 

Zeichnest Du auch an Weihnachten oder hat Dein Aquarellkasten in dieser Zeit Ruhepause ?

 

In den letzten Jahren war ich wie gesagt auf dem Weihnachtsmarkt in der »Unteren Rathaushalle« vertreten. Daraus ergaben sich kurzfristig Auftragsarbeiten, die für mich als Stadtzeichnerin ein wesentlicher Schwerpunkt sind. Die eng terminierte Umsetzung rechtzeitig zum Fest war etwas stressig, aber es hat geklappt. Darunter war notgedrungen eine Zeichnung nach einem Foto, was ich sehr ungern und selten mache, außer bei Auftragsarbeiten für Zeichnungen von Ferienhäusern auf Lanzarote und Mallorca. Man wollte mich auf diese wunderschönen Inseln leider nicht persönlich hinschicken, obwohl ich sofort bereit gewesen wäre, die notwendigen »Dienstreisen« anzutreten. Aber die Spesen übertrafen in beiden Fällen wohl die finanziellen Vorstellungen. 

 

Interview: Mathias Rätsch, Foto: Kerstin Rolfes Interview erschienen in Ausgabe Nr. 12, 2019

 

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Foto © Kerstin Rolfes