DER RAPPER »JOKA« AUS FINDORFF ÜBER KINDHEIT, KARRIERE UND KATJA EBSTEIN


Findorff war der verrückteste Stadtteil von allen.

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JokA, mit bürgerlichem Namen Jochen Burchard, wurde 1985 geboren und ist seit 34 Jahren treu in Findorff verhaftet. Ein Lehramtsstudium brach er ab, nachdem er auf Tour das Interesse daran verlor. Heute ist JokA einer der wenigen Rapper aus Bremen, die über die Stadtgrenzen hinaus bekannt sind. Nach seinem Debutalbum »Gehirnwäsche« in 2008, veröffentlichte er 2010 »JokAmusic«. Das dritte Album »Augenzeuge« erschien 2015. Wäre in diesem Jahr nicht die Corona-Krise ausgebrochen, würde JokA diesen Sommer gerade »MoTrip«, eine der Rap-Größen der Republik, auf den großen Festivals supporten. Der Rapper hält die Zeit zuhause für »ein Geschenk«, bedauert aber, ein »Snoop Dogg«-Konzert und den Urlaub in der Türkei, der ihm jedes Jahr viel bedeutet, verpasst zu haben. Als Radiomoderator ruft JokA alle LeserInnen dazu auf, den Empfang mit dem Sendersuchlauf auf 96,7 UKW umzustellen – wie er sagt: »Egal ob im Auto oder auf der Arbeit«. Jeden zweiten Mittwoch um 20:00 Uhr serviert er als Host auf »Bremen NEXT« zwei Stunden in der Sendung »Punchline« Hiphop querbeet – gemeinsam mit Discjockey »Ataxy«, der mixt. www.joka-music.de

 


Moin Moin, JokA  ! Du bist der einzige Rapper aus Bremen, der bundesweit bekannt geworden ist. Die Anfänge Deiner Karriere liegen im Jugendzentrum Findorff und Du bist auch im Stadtteil aufgewachsen und lebst hier. Wie ging es damals los – und was bedeutet Dir das »Freizi« bis heute?

 

Am aktuellsten präsent ist mir das »Freizi«, weil ich da meinen Junggesellenabschied gefeiert habe – und ich schaue sonst auf jeden Fall immer wieder gern einmal vorbei. Ein- bis zweimal im Jahr lasse ich mich dort blicken und spiele ab und zu eine Runde Basketball. Abgesehen davon gibt es hier auf jeden Fall noch ein paar Rapper aus Bremen, die über die Stadtgrenzen hinaus bekannt sind. Es gibt sie und es gab sie. Früher war das »Baba Saad«. Auch heute ist das »Freizi« in Findorff für den Rappernachwuchs immer noch die »Base«, von der viel ausgeht.

 

Ist es denn immer noch ein Ort, an dem man Dich erkennt? 

 

Ich glaube nicht, Alter. Wenn ich da hingehe, manchmal mit einem Freund, glaube ich nicht, dass die Kinder, wenn sie zehn Jahre alt sind, mich kennen können. Ein paar BetreuerInnen kenne ich noch. Manchmal erkennt mich ein Jugendlicher. Aber es ist nicht so, dass ich da hingehe und die Kids drehen durch.

 

Im Vergleich zu anderen Stadtteilen in Bremen ist Findorff kein sozialer Brennpunkt, sondern ziemlich ruhig – und aus der Weltsicht von Rappern betrachtet sicherlich »brav«. Konntest Du Dich in jungen Jahren in Deinem Revier überhaupt wie in einer »Hood« fühlen ? Konnte unser Stadtteil Dich in Deinen Anfängen inspirieren – oder sind dafür in Bremen eher Gröpelingen oder Tenever die richtigen Stadtteile?

 

Findorff war für mich in meiner Welt immer der verrückteste Stadtteil von allen. Ich bin ja keiner, der irgendwie der Gangster war und voll den Gangsterrap gemacht hat. Wir machen natürlich harte Rapmusik, aber wir machen ja nicht die ganze Zeit Texte wie: »Ich stech‘ Dich ab und mach dies mach das«. Ich glaube auch nicht, dass Rapper stadtteilabhängig sind. Verrückte gibt es in Findorff. Verrückte gibt es überall – das kann ich Dir auf jeden Fall sagen. Aber ich muss inspiriert sein, um Rap zu machen. Ich bin inspiriert davon, wie mein Leben und wie das Leben meiner Freunde ist. Die waren alle in Findorff. Sie sind immer noch in Findorff. Ich lebe seit 34 Jahren im Stadtteil und meine Freunde sind immer noch dieselben wie vor über 20 Jahren. Es hat sich in meiner Lebenswelt nicht viel verändert. Ich sage es mal so: Wo ich während unseres Gesprächs gerade bin, ist im Studio. Das Studio ist in Gröpelingen. Ich gucke auf die Weser. So viel zur Inspiration. Die Weser fließt irgendwie überall, egal ob Du in Findorff oder in Gröpelingen bist.

 

Du hast schon früh die türkische Sprache gelernt. Türkisch ist die Sprache, die mit der deutschen Rap-Szene verflochten ist wie keine zweite. Was war Deine Motivation, türkisch zu lernen ? Was bedeutet es Dir, die Sprache sprechen zu können?

 

Meine Motivation war ganz klar mein Freundeskreis. Als ich jung war, bestand der zu 90 Prozent aus TürkInnen. Ich hatte auch deutsche FreundInnen, aber auch viele TürkInnen. Mein bester Freund, mit dem ich jeden Tag unterwegs war, ist halt auch Türke. Mit ihm habe ich zusammen in der Grundschule diesen Türkisch-Unterricht gehabt. Dadurch konnte ich irgendwann die »Basics«. Türkisch ist eine »nice« Sprache, wenn man früh anfängt, sie zu lernen. Den Rest habe ich an der Uni und durch die Reiserei gelernt. Ich war bisher zehn- bis zwölfmal in der Türkei. Ich würde nicht sagen, dass ich fließend türkisch spreche. Aber ich komme klar. Wenn Du mich irgendwo in einem Dorf aussetzt: Ich komme klar und weiß, was ich zu tun habe. Türkisch bedeutet mir sehr viel, weil nach wie vor meine Freunde Türken sind. Wenn wir im Café sitzen und Karten spielen, kann ich alles verstehen. Das ist auch ein Vorteil, wenn du mit den älteren Türken spielst, die kein deutsch können. 

 

Die Chancen für RapperInnen sind anderswo sicherlich größer als in Bremen. Hast Du Dich irgendwann entschieden die Stadt zu verlassen – und wohin bist Du gegangen? 

 

Ich habe meine Stadt nie verlassen. Ich bin ab und zu mal nach Berlin gefahren, weil da ein Studio war oder nach Hamburg oder so. Aber ich bin immer noch in Bremen. Ich denke auch, dass Rapper überall die gleichen Chancen haben, egal wo sie herkommen. Das siehst Du auch an der aktuellen Rapszene. »Bausa« oder »Shindy«, die kommen alle irgendwo her, aus

Städten, von denen vorher niemand jemals gehört hat. 

 

Aber ziehen die aus ihrer Stadt nicht irgendwann weg?

 

Nein, die wohnen alle noch da. Ich glaube, das ist ein Klischee. Viele gehen nach Berlin, wenn sie etwas versuchen wollen. Ja,natürlich gibt es das. Manche sind vielleicht auch nicht ganz so familiär verwurzelt wie ich. Ich bin immer noch hier und mache alles genau wie immer. Weißt Du was ? Vor Jahren, als ich meine Alben veröffentlicht habe, war ich viel in Berlin und bin auch viel auf Tour gewesen. Ich bin mit »MoTrip« auch nach wie vor viel auf Tour. Das war natürlich vor »Coroni«. Aber es ist nicht so, dass ich sagen würde: »Ich bin aus Bremen weggegangen.« Ich bin mal weg, aber dann komme ich auch wieder nach Hause. 

 

Viele Rapper, inklusive dem aktuell erfolgreichsten »Capital Bra«, haben ein Gangster-Image. Ein »böses« Image scheint im deutschen Rap nicht wegzudenken zu sein. Braucht es eine Selbstinszenierung als »Bad Guy«, um Rapper zu sein?

 

Ich glaube nicht. Wenn Du aktuell in die Charts siehst, glaube ich nicht, dass du das brauchst. Es sind ganz viele liebe Leute unterwegs, die trotzdem krasse Sachen machen. Ich glaube, es geht nicht darum, wie hart man sich gibt. Ich glaube eher, dass Leute nicht richtig zuhören und in Klischees oder in Schubladen denken, irgendwie ein Video sehen und dann denken: »Ah, das ist so«. Damit kommst Du nicht weiter. Das ist so eine Endlosschleifen-Diskussion. Ich denke, wenn alle Leute mal richtig zuhören und offen sein würden, könnte noch mehr gehen. Das Business, in dem ich tätig bin, ist schon eine ziemlich große Branche – und ob wir den Zuspruch von allen brauchen, ist die Frage. Die Musikbranche ist eine heftige Branche, in der auch das große Geld fließt. Die meisten Acts, die in Deutschland aktuell am Start sind, kommen aus der Szene. Es ist ja auch nicht zu verdenken, dass es dabei immer auch um Geld geht. Auf den größten Festivals und so weiter und so fort, selbst auf den Rockfestivals, geht es um viel Geld. Es gibt kein »Oh, Deutschrap, all gangster«, das ist in meiner Wahrnehmung der Schnee von gestern. Rap ist überall – und das ist auch gut so.

 


Katja Ebstein ist eine krasse Frau. Sie ist echt ein Wunder.

Du würdest also sagen: Dadurch, dass es heute so viel Rap gibt und Deine Musik auch in den Charts ist, gibt es auch mehr Vielfalt – und Rap ist nicht mehr nur »brutal«?

 

Ja und auch die Leute, die Rap konsumieren, sind heute mehr. Das sind heute nicht nur zehn- bis 15-Jährige, sondern das geht bis zu 40- und 50-Jährigen, weil die Leute aus den Anfängen mittlerweile einfach so alt sind. Die haben vor zwanzig oder dreißig Jahren angefangen Rap zu hören, weil es den plötzlich gab. Dadurch ist die Masse heute riesengroß. Ich glaube, alles ist gut. Alle sind zufrieden. Es gibt genügend Acts und es gibt genügend Leute, die Bock haben und streamen.

 

Andererseits: Viele ältere Musikfans können mit Rap nichts anfangen; aber für die Coverversion von »Wunder gibt es immer wieder (feat. Katja Ebstein)« hast Du mit der Sängerin, die ihre Erfolge in den Siebzigerjahren hatte, zusammengearbeitet. Es gibt sogar ein gemeinsames Video. Wie kam es dazu ?

 

Es gab eine große Sendung auf »VOX«: »Cover my Song«. In der Sendung trafen Rapper auf SchlagersängerInnen. Ich hatte das große Glück Katja Ebstein kennenzulernen und einen Song von ihr covern zu dürfen. Sie hat dafür einen Song von mir gecovert. Ja und wir sind »Homies« geworden. Ich kann Dir sagen: Katja Ebstein ist auf jeden Fall eine »coole Socke«. Ich habe sie später auf einem Konzert in Vegesack besucht. Wir haben danach zusammen mit meiner Mutter und Katjas Pianisten noch an der Hotelbar bis morgens um fünf Wein getrunken. Und dabei haben wir philosophiert. Unglaublich, das kann ich Euch wirklich sagen. Für meine Mutter ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Katja Ebstein ist eine krasse Frau. Sie ist echt ein Wunder. 

 

Hörst Du ihre Songs auch manchmal oder ist das eher nicht so Deine Welt – und Ihr versteht Euch trotzdem total gut? 

 

Sie macht ja aktuell nicht mehr so viel Musik. Aber ich weiß es nicht wirklich. Sagen wir es mal so: Ich bin auf jeden Fall nicht »up to date« bei ihr. Ich hab mir damals ein paar Sachen angehört; alles was ich musste. Es war immer ganz viel Inhalt in den Texten. Das kann man sagen. Aber aktuell pumpe ich jetzt nicht Songs von Katja Ebstein im Auto, wenn ich ehrlich bin.

 

 


Dann bleibt »Dein Herz schlägt« für die Ewigkeit.

 

 

Du bist Fußballfan. Dein Herz schlägt für Werder Bremen. Mit dem Titel »Dein Herz schlägt« hast Du Dich in Deinem Schaffen auch mit einem Fußball-Rap verewigt. Wie fühlt es sich an, die eigene Hymne für »seinen« Verein im Stadion zu hören? 

 

Ich wollte für Werder schon immer etwas machen und habe vorher öfter mal gedacht: »Eigentlich wird es mal Zeit, so etwas Geiles zu machen.« Dann bot sich irgendwann die Gelegenheit, einen Werder-Song auf größerer Bühne zu machen – vernünftig und mit ein paar Ressourcen angedacht. Allein wollte ich es nicht machen. Ich habe deshalb eine alte Freundschaft mit »Montanamax« und »Shiml« wieder aufleben lassen. Wir sind untereinander in Kontakt geblieben – und Gott sei Dank  haben wir uns für »Dein Herz schlägt« zusammengefunden. Unser Vereins-Rap ist auf jeden Fall geil und sehr gut angekommen. Der lief auch im Stadion. Ich war mit meiner Mutter da. Das Video zu »Dein Herz schlägt« lief oben auf der Leinwand (lacht). Dieses Erlebnis war auf jeden Fall schon ziemlich »nice«. Der Song lief auch danach ab und zu noch im Stadion. Der wird auf jeden Fall nach Corona weiter laufen. Ich hoffe, seine Spielzeit hält lange an. Es gibt ein paar Songs, die durchhalten – und dieser hält durch. Hoffentlich hat Werder Bremen bald wieder Aufschwung – dann haben die Fans auch wieder Bock, den Song zu hören. Dann bleibt »Dein Herz schlägt« für die Ewigkeit. Das wäre sehr schön. 

 

Wo sind heutzutage eigentlich die Rap-Hochburgen; sind es immer noch Köln und Berlin? 

 

Berlin, auf jeden Fall, aber Köln ? Mittlerweile kommen auch viele RapperInnen aus dem Süden, zum Beispiel aus Stuttgart und alles um Stuttgart herum. Auch Hamburg und der Ruhrpott sind richtig gut am Start. Auch RapperInnen aus NRW sind richtig mies am Start. Aber Köln ? Mit Köln liegst Du daneben. 

 

Du hast mit Größen aus der Rapszene wie »Sido«, »MoTrip« und »Bushido« über die Jahre kollaboriert und Erfolge gefeiert und hast viel in der Rap-Hochburg Berlin an Musik gearbeitet. Dennoch bist Du Findorff immer treu geblieben. Warum?

 

Wohnst Du in Findorff ? Ich bin in meinem Stadtteil aufgewachsen. Mittendrin. Meine Mutter wohnt nicht mehr hier. Auch meine Schwester wohnt nicht mehr hier. Die wohnen noch in Bremen, aber mir bedeutet Findorff sehr viel. Ich kenne hier jeden Winkel. Ich kenne eigentlich jeden in Findorff oder habe jeden und jede schon einmal gesehen. Ich bin mein ganzes Leben lang hier. Ich hatte eine kurze Auszeit in Walle. Auch während dieser Phase bin ich die meiste Zeit hier gewesen. Ich bin hier Zuhause. Ich bin hier immer gewesen. Findorff ist mein Stadtteil. Frage Deine KollegInnen: Alle wissen, das ist mein Stadtteil.

 


Ich mache mein Ding. JedeR sollte sein Ding machen.

 

 

»Moin Moin«, der Opener aus dem Erfolgsalbum »Augenzeuge« war bisher Dein größter Hit – auch auf der Streamingplattform »Spotify«. Mit norddeutschem Ton rappst du dort die Zeile: »Meine Prinzipien gehen öfter mal vorbei an Verträgen. Ich hab‘s im Rücken, ich kann Geldkoffer leider nicht heben«. Welches sind die Prinzipien, die Du nicht bereit bist für den Erfolg in der Rapbranche zu opfern?

 

In diesem Kosmos geht es natürlich um Sachen, die ich in der Vergangenheit abgelehnt habe. Es ging um Verträge, die ich nur hätte unterschreiben müssen, damit sie mir viel Geld bringen. Was ich mit dem Text sagen will, ist klar: Ich mache mein Ding. JedeR sollte sein Ding machen. Wenn Dich irgendjemand in der Kunst als Musiker in Deinem Schaffen einschränken will, solltest Du Dich auch nicht für Geld in irgendeiner Form verkaufen. Oder ist das am Ende nicht auch nur so eine »line« ? Prinzipien ? Ja, Prinzipien sollte man schon haben. Ich bin auf jeden Fall einer, der schwer verzeihen kann, wenn jemand seine Prinzipien bricht. Das kann ich mir und anderen nur schwer verzeihen. 

 

Möchten die meisten RapperInnen im Business möglichst schnell möglichst viel Geld verdienen?

 

Es geht ja heute einfach alles viel schneller. Du hast durch das Internet auch viel krassere Möglichkeiten, um erfolgreich zu sein. Es ist nicht mehr »Ich will unbedingt«, sondern manche werden einfach unbedingt bekannt –  teilweise aus Versehen. Die machen einfach irgendwelche Videos und sind »bam !« am nächsten Tag plötzlich total angesagt. Ich finde, das ist eine krasse Entwicklung, die man natürlich so oder so sehen kann. Wenn du mich fragst: Ich finde es gut, wenn du mit 18, 19, 20 Jahren eine Million Euro zur Seite packen kannst. Das ist besser, als wenn man es mit 28 nicht macht. Weil du die ganzen Jahre zwar Stück für Stück gewachsen und voll krass bist, aber am Ende klappt es dann mit dem Erfolg nicht. Da ist es besser, sich jung verheizen zu lassen — und am Ende gehst du ein Jahr in Therapie. So ist das, weißt du? Ich kann es für mich ja selbst gar nicht so beurteilen, weil ich auf meine Person bezogen nie durch die Decke gegangen bin. Dafür habe ich damals sehr früh sehr viel gesehen und war viel unterwegs. Ich war ja immer eher im Hintergrund zugange, als Texter und so, weißt du? 

 

Wie funktioniert das Musikbusiness, wenn man Erfolg hat?

 

Heute wird schnell verheizt, weißt Du ? Ich finde das gut. Viele können berühmt werden und ziehen Freundeskreise mit. Wenn viele satt werden, sind doch alle zufrieden. Es ist doch gut, wenn viele Leute mit davon leben können. Es sind 20, 30 Leute dabei, wenn du im Business groß wirst. Und es wachsen immer viele Leute mit – und das ist eine gute Entwicklung.

 

Dein letzter »Instagram«-Post ist fast ein Jahr her. Dein drittes und letztes Album »Augenzeuge« ist 2015 erschienen. Das ist lange her. Seitdem bist Du immer wieder in den Songs anderer Rapper aufgetaucht, als eigenständiger Künstler scheinst Du jedoch von der Bildfläche verschwunden. Was ist los?

 

Gut beobachtet, Sherlock Holmes ! (lacht) Ich bin nicht so viel auf »Instagram«, weil das einfach nicht so meine Welt ist. Ich bin da echt noch so ein bisschen in den Neunzigern hängen-

geblieben, wenn ich ehrlich bin. Nicht, weil ich es nicht mehr drauf habe, sondern mir ist es unangenehm, mich selbst ständig zu fotografieren oder zu filmen. Warum ich keine Bilder hochlade ? Ich bin nicht so der Typ. Das war vielleicht ein Fehler im Nachhinein. Musikmäßig kann ich auf jeden Fall sagen, dass wieder von mir zwischendurch Songs rauskommen, von denen keiner weiß, dass ich daran mitgearbeitet habe – egal ob ich ein Album rausbringen werde oder nicht. Es ist auch nicht so, als ob ich eingeschlafen wäre. Aber ich habe mich in meinem Privatleben weiterentwickelt. Ich habe nach wie vor Spaß in Findorff und umzu und genieße hier meine Zeit. Ich jage aber keinem Traum mehr hinterher, sondern mache mein Ding eher hinter den Kulissen – und versuche so, ein Teil der heutigen Rapszene zu bleiben. Auch weil ich immer noch mit »MoTrip« live toure, bin ich immer noch in der Szene verankert und mache meinen eigenen Scheiß. Ob neue Mukke kommt ? Das glaube ich schon und hoffe noch in diesem Jahr. Ich habe viele Sachen fertig. In welcher Form neue Songs herauskommen, müssen wir schauen. Du bist mit der Erste, der es von mir erfährt. (lacht)

 

Was gibt den Ausschlag, ob Deine Songs von Dir performt werden oder von jemand anderem ? 

 

In manchen Fällen, also wenn ich sehr für mich schreibe, dann performe ich auch selbst. Das gibt es und kommt auch weiterhin vor. Wir machen viel, wenn viel kommt. Wir bringen nur nicht mehr so viel selbst raus, weil wir nicht so kamerageil sind. Das ist leider so. 

 

Man will ja auch die Qualität hochhalten, oder? 

 

Naja, das hast Du jetzt gesagt. (lacht)

 


Ich hoffe, dass sich das Miteinander der Menschen irgendwann einmal entspannt.

 

Für den Sender »Bremen NEXT«, dessen Zielgruppe laut Definition junge Menschen in Bremen, Bremerhaven und Umgebung sind, bringst Du RadiohörerInnen Neuerscheinungen und ausgewählte Klassiker aus der Rap-Szene näher. Ist eine Karriere als Musik-Journalist Dein eigentlicher »Plan B« – oder ein Comeback von JokA nur noch eine Frage der Zeit ?

 

Ich habe auf »Bremen NEXT« regelmäßig eine Hiphop-Sendung und bin als Moderator auch im Tagesprogramm dabei. Moderieren ist quasi, was ich mache und das ist meine Arbeit, Digga. Jede zweite Woche ist frei, jede zweite Woche moderiere ich. Der Sender ist eine zweite Familie geworden.

 

Was war die spannendste Sendung, die Du gemacht hast? 

 

»Curse« ist für mich ein besonderer Gast gewesen, weil er damals ein Held in meiner Zeit war. Ich war als Kind großer Fan. »Curse« zu treffen war für mich schon ein totales Highlight. Andere würden jetzt vielleicht »Ufo«, »Kollegah« oder irgendwen sonst nennen. Aber mit »Curse« den ganzen Nachmittag rumzuhängen war für mich ein ganz schön nachklingendes Erlebnis. 

 

2015 hast Du unter Deinem Namen zuletzt Musik veröffentlicht. In Deinem Song »Was ist los ?« sprichst du an, dass das Interesse der Deutschen an den vielen zu uns kommenden Geflüchteten häufig nur geheuchelt gewesen sei. Wie würdest Du den Song heute fortführen ? Ist alles gut geworden? 

 

Ich finde, es hat sich eher wenig bis gar nichts verändert. Es sind wie bisher sehr, sehr viele Menschen auf der Flucht – und wir tun so, als geht uns das nichts an. Mit »Heuchelei« nenne ich das Kind vielleicht beim Namen. Aber wenn Du unseren Eigennutz siehst, dann bleibt das für mich am Ende doch weiterhin Heuchelei. Im Großen und Ganzen ist es fast überall absolut nicht gut, wie alles läuft. Die Welt ist irgendwie auf einem ziemlich verrückten Trip. Es geht immer darum, dass irgendwelche Menschen irgendwelchen anderen Menschen nicht gefallen.

Das ist ein Konflikt, der schon lange, lange Zeit vorhanden ist. Ich hoffe, dass sich das Miteinander der Menschen irgendwann einmal entspannt. Was soll ich Dir sagen ? Wer hofft das nicht ?

 

Interview: Marvin-Berfo Günyel, Foto: Kerstin Rolfes, Interview erschienen in Ausgabe Nr. 15, 2020

 

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Foto © Kerstin Rolfes, www.kerstinrolfes.de