Partisanen der Kunst: Als solche verstehen sich Boleslaw und Kazimierz Jankowski. Mit dem gleichnamigen Kunstkatalog gibt es erstmals einen größeren Einblick in ihr Schaffen.
Viele Bilder sind über die Jahrzehnte entstanden; einige Bilder gehören bekannten Persönlichkeiten wie Udo Lindenberg. Den aktuellen Katalog der »Partisanen der Kunst« gibt es unter https://buchshop.bod.de und im Bücherfenster Findorff. Mehr zur aktuellen Ausstellung in Findorff gibt es hier....
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Boleslaw und Kazimierz, warum nennt Ihr Euch »Partisanen der Kunst« ?
Boleslaw: Unsere Mutter war Polin und unser Vater war Pole. Ich wusste ja nicht, dass wir wirklich Partisanen in der Familie hatten. »Partisanen der Kunst« haben wir uns ausgedacht.
Kazimierz: Es ist so, dass unsere Mutter in ein Arbeitslager verschleppt wurde – und mütterlicherseits gab es einen Joseph und einen Bolek in der Familie, die im Zweiten Weltkrieg tatsächlich als Partisanen gegen die Nazis gekämpft haben. Beide sind von den Nazis gekillt worden. Seit zwanzig Jahren nennen wir uns »Partisanen der Kunst«. Das ist auch eine Hommage an unsere Familie.
Ihr seid in Bremen-Nord aufgewachsen und dort zur Schule gegangen, aber Eure Wurzeln liegen in Kraków in Polen. Ihr habt es ja gerade gesagt: Im Nationalsozialismus wurde eure Mutter nicht nur verschleppt. Sie musste Zwangsarbeit leisten. Was macht eine solche Erfahrung noch Jahrzehnte später mit einer Familie – in diesem Fall mit euch als den Söhnen ? Hat die Geschichte der Familie euer Leben beeinflusst, weil ihr erfahren habt, wie schrecklich die Welt auch sein kann ? Habt ihr gedacht: »Das soll uns nicht passieren. Wir wollen in anderen Zeiten frei und glücklich leben ?«
Kazimierz: Auf jeden Fall hat uns das beeinflusst. Wir hatten ja auch unsere polnischen Namen, wodurch es Diskriminierungen in der Schule gab. Ja, das haben wir schon gemerkt – und das merken wir heute teilweise immer noch.
Boleslaw: Viele Kinder in der Schule haben meinen richtigen Namen gar nicht ausgesprochen. Ich war der »Bolek«. Boleslaw ? Mich mit meinem richtigen Namen anreden, das konnten die ja nicht. Die haben ja nicht gefragt, »Wo kommst du her und wieso bist du hier ?« Da kannst Du als Kind nichts machen. Das war so. Wir waren eben Bolek und Lolek. (Anmerkung: »Bolek und Lolek« ist der Name einer polnischen Zeichentrickserie, die in den Siebziger Jahren im deutschen Fernsehen lief.)
Kazimierz: Es gab schon viele, die uns auch trennen wollten oder die sagten: »Man muss auch mal alleine oder auch mit deiner Mutter…« Das hat uns noch mehr zusammengeschweißt. Heute merken wir, dass unser Weg der richtige Weg war. Man kann seine Familiengeschichte nicht ablehnen. Das geht gar nicht. Das war halt unser Schicksal. JedeR hat ein Schicksal und eine Vergangenheit – und unsere Vergangenheit gehört zu uns.
Das Wort »Partisan« kommt vom italienischen Wort »partigiano«. Es bezeichnet einen bewaffneten Kämpfer, der aber kein Soldat einer Armee ist. Ist Kunst Eure Waffe, um in einer Gesellschaft mit manchmal seltsamen Menschen in einem seltsamen »Mainstream« als Individualisten zu überleben ?
Kazimierz: Auf jeden Fall. Unser Bremer Künstlerkollege Ernst Maske hat das ja auch oft erwähnt: Vielleicht sind wir nicht Partisanen, sondern eher Rebellen. Die Kunst ist unsere Waffe – wie bei Picasso.
Boleslaw: Das mit den Partisanen in der Familie habe ich als Kind ja gar nicht gewusst. In der Schule konnte ich ja gar nichts. Ich musste immer die Schnauze halten und durfte gar nichts sagen. Das mit den Partisanen haben die Leute ja gar nicht gewusst. Einer hat gesagt: »Das sind doch die Polacken«.
Man muss dazu wissen: »Polacken« war ein Schimpfwort aus der Nazi- und Nachkriegszeit. Was hat diese Behandlung in der Kindheit mit euch gemacht ? Wie wichtig ist aufgrund dieser Ablehnung freigeistiges Denken für euch geworden ?
Kazimierz: Ganz, ganz wichtig ! Man muss authentisch sein. Man kann nicht irgendwie jemanden spielen, der man nicht ist. Das geht gar nicht. Dadurch verleugnet man sich selbst – und man wird auch unsicher. Man soll so sein, wie man ist. Dieser Satz ist vielleicht manchmal nur so ein Slogan, der gar nichts aussagt. Aber er sagt tatsächlich eine ganze Menge aus.
Boleslaw: Genau !
Kazimierz: Viele wissen gar nicht, wer sie sind, wie. Sie sagen alle immer, ich weiß, wer ich bin, aber in Wirklichkeit wissen die das gar nicht.
Boleslaw: Die fragten ja auch nicht nach. Kazimierz haben sie mehr erkannt als mich. Die wussten noch nicht einmal meinen richtigen Namen. Die konnten ja nicht mal fragen: »Wo kommt Du her ?« Stattdessen sind wir damals verhauen worden.
Kazimierz: Wir haben noch nie jemanden etwas getan. Wir brauchen uns auch nicht zu verstecken – auch heute nicht, was künstlerisch unsere Arbeit betrifft. Ich stelle rückblickend fest: Wir sind nicht nur Monate, sondern insgesamt Jahrzehnte nicht wirklich ernst genommen worden.
Brüder sind im Kunstbetrieb eher selten. Welche Auswirkungen hat die brüderliche Symbiose für euer Gemeinschaftswerk ?
Kazimierz: Dass wir Brüder sind, hatte immer eine bedeutende Auswirkung. Aber letztendlich bleiben wir trotzdem individuell und Individuen. Aber unser Background als Brüderpaar und unsere Transzendenz sind immer da – und beides gibt uns irgendwie eine tolle Kraft. Absolut !
Jeweils aus Sicht des anderen: Welche Stärken in dieser künstlerischen Verbindung hat Boleslaw und welche Stärken hat Kazimierz ?
Boleslaw: Die Stärke von Kazimierz ist: Der weiß mehr. Ich wusste ja gar nichts. Ich war ja doof. Ich habe mich schön den Leuten angeglichen, um dazu zugehören. Die haben trotzdem geschimpft und mit dem Finger auf uns gezeigt: »Das sind Lolek und Bolek«.
Kazimierz: Was ich an Boleslaw sehr schätze, sind seine Farbkompositionen und figürlichen Kompositionen, die aus ihm selbst einfach so entstehen. Die bewundere ich einfach. Das ist eine ganz, ganz große Stärke – ohne diese Kombinationen geistig oder politisch zu erklären.
Boleslaw: Meine Mutter, die war einfach einverstanden. Die wusste ja auch nichts über die Kunst. Mutter war nicht frech, sondern hat auf mich gehört. So habe ich mich Kazimierz angeglichen. Wo er hin ging, da ging ich auch hin. Aber die Leute haben nicht gesagt: »Wer sind die denn, die Partisanen ?« Boleslaw ? Mich haben die gar nicht erwähnt. Die wussten nichts.
In den Sechzigern und Siebzigern hatte Kunst auch einen kritischen und aufklärerischen Anspruch. In den Achtzigern wurde es dann glamourös. Heute scheint alles durch Geld, Trends, Beziehungen und den weltweit handelnden Kunstmarkt bestimmt. Wie hat sich die Bedeutung von Kunst
über die Jahrzehnte aus Eurer Sicht noch verändert ?
Kazimierz: Einige, die sich gut damit auskennen, die sagen: »Wir haben einfach zu viele Künstler, die sich nur Künstler nennen.« Das führt dazu, dass das Publikum gar nicht mehr richtig unterscheiden kann. Manchmal tut es richtig weh, wer sich alles Künstler oder Galerist nennt. Nicht, dass ich alles weiß, aber ich habe totale Kenntnisse und meine Erfahrungen. Nochmal: Dass es so ist, wie es ist, tut mir in der Seele weh.
Boleslaw: Mir tut das nicht so weh, weil viele mich einfach besabbelt haben: »Boleslav, du Polacke«. Früher haben sie nur »Polacke« zu uns gesagt – und ich konnte da gar nichts sagen.
Kazimierz: Viele haben auch gedacht, ich würde meinem Bruder vorschreiben, wie er zu sein hat. Ich habe meinem Bruder noch nie gesagt, wie mein Bruder zu sein hat. Viele haben gesagt, »Wahrscheinlich kommt alles von Dir.« Ich habe denen dann gesagt: »Das hat mein Bruder entwickelt.« Ich stelle mich nicht hinter ihn und sage ihm: »Du solltest das so und so machen.« Das war noch nie mein Ding.
Boleslaw: Nee, das ist klar. Ich habe mir alles selbst beigebracht, und das war leicht und locker. Meine Mutter hat immer geguckt und gesagt: »Ah, das ist toll, toll, toll, toll !« Probleme gab es auch immer. Das ist klar.
Kazimierz: Sie hat auch gesagt: »Eure Kunst und eure Bilder gehören ins Museum.« Das hat sie noch kurz vor ihrem Tod gesagt. Früher hat sie immer gesagt: »Auf den Sperrmüll damit, oder auf den Flohmarkt oder in die Weser damit.« (grinst). Sie war tatsächlich wirklich stolz auf uns. Das muss man sagen.
Wie schafft man es über die Jahrzehnte, vom seinem künstlerischen Schaffen wirtschaftlich zu existieren ? Muss man als Künstler noch einen Zweitjob haben ? Wie war das bei euch ?
Boleslaw: Einen Job ? Ich habe keinen richtigen Job gehabt. Das hat mir bestimmt auch etwas wehgetan. Aber ich habe mich durchgeschlagen.
Kazimierz: Ich genauso. Ich wollte immer etwas nebenbei machen. Ich habe zum Beispiel gekellnert. Aber dann wurde ich auch irgendwo teilweise ein bisschen veräppelt, weil ich mit dem Kopf immer bei meiner Kunst war. Ich habe eine Zeit lang in einer Werbeabteilung gearbeitet und hatte auch Privilegien. Ich hatte ein Büro. Ich hatte einen Lagerraum – und ich habe gutes Geld verdient. Das war fantastisch. Aber zugleich habe ich immer meine Kunst gepflegt. Ich habe natürlich gelebt, um auch Inspiration zu bekommen. Ich bin durch ganz Europa gereist.
Boleslaw: Als Kinder haben wir immer Sport gemacht. Sport interessiert mich mein Leben lang.
Kazimierz: Manchmal sehe ich bei Anderen: Die haben dieses und das. Die können sich das alles leisten. Diese Sicht der Dinge muss man sich abschminken. Solche Gedanken haben mich durcheinandergebracht. Letztendlich habe ich mich mit der Zeit immer weiter davon entfernt. Es hat mich noch stärker gemacht, um mich auf das zu konzentrieren, was wir können – und was wir lieben.
Euer Werk zeigt einen ausgeprägten Hang zu popkulturellen Ikonen wie Elvis Presley, Marylin Monroe oder Jimi Hendrix. Wie großartig wäre es für euch selbst gewesen, berühmt zu sein – oder schreckt die öffentliche Rolle als übergroße Projektionsfläche für jeden Hans und Franz heute eher ab ?
Kazimierz: Ich denke an die vergangenen Jahre: Früher habe ich nur gemacht, gemacht, gelebt, gelebt. Aber man wird natürlich auch älter und sieht ein Riesenwerk, das man geschaffen und verkauft hat. Viele sagen: »Mensch, du müsstest doch schon längst woanders sein, du mit deinem Bruder noch dazu.« Freunde sagen: »Wahnsinnig, was ihr gemacht habt !«.
Boleslaw: Die haben ja auch dumme Fragen gestellt. Der eine sagt: »Oh, du musst alleine wohnen, weil: Ich muss ja auch alleine wohnen.« Aber ich kam zurecht – und das war gut. Ich muss auch gar nicht bekannt sein.
Kazimierz: Nobert Schwontkowski (Anmerkung: bekannter Bremer Künstler) hat schon damals vor 25 Jahren gesagt: »Ihr müsstet schon längst berühmt sein.«
Fühlt Ihr Euch im »Dorff« wohl oder muss man auch mal weg ?
Kazimierz: Ja, manchmal schon, aber seit den letzten zwei Jahren merke ich, dass Findorff unsere Heimat ist. Wie wäre es woanders ? Wo willst du lieber wohnen ? Im Bremen-Nord ? In Polen ? Nach Polen will ich auch nicht. Wir haben dort zwar Familie, aber wir haben nicht so den Kontakt – und die wollen auch gar nichts mit uns zu tun haben. Das ist so.
Wie hätte man als Künstler über die Grenzen von Bremen weltweit bekannt werden können – und was hätte man dafür tun müssen ?
Kazimierz: Ich glaube, ich habe eine ganze Menge dafür getan, um überregional bekannt zu werden. Pelé hatte ein Bild von uns. Joseph Blatter hat ein Bild von uns. Ich war zweimal bei der »FIFA« und habe ein Bild überreicht. Joseph Blatter war im Urlaub, aber ich war mit der Public-Relations-Frau als seine linke Hand ganz eng im Kontakt. Ich war auch der Erste, der die Idee hatte, ein Fußball-Kunstmuseum in Zürich zu gestalten. Das habe ich noch schriftlich. Wenn ich nicht der Erste
gewesen wäre, hätten sie mir das schriftlich mitgeteilt. Die haben sich alle bedankt. Günter Netzer hat sich bedankt für das Bild. Beckenbauer hatte ein Bild. Zur Weltmeisterschaft 2006 hatte ich engen Kontakt zum Organisationskomitee. Aber ich war immer ein Einzelunternehmer. Ich hatte keine Lobby und auch kein Team dahinter. Man kann im Rückblick als Resumee zusammenfassen, du hast dich sehr bemüht, aber manchmal wird man von den richtigen Leuten nicht ausreichend protegiert.
Dann lieber auf zu neuen Taten: Wir führen dieses Interview erstaunlicherweise im Juli bei sehr sommerlichen Temperaturen und haben gerade mit euch und Fotografin Kerstin Rolfes den Weihnachtstitel für FINDORFF GLEICH NEBENAN produziert, für den ihr in einer Performance einen weihnachtlichen Stern auf die Leinwand gebracht habt. Jetzt müsst ihr sechs Monate vorausdenken. Wie feiern die Brüder Jankowski Weihnachten ? Gibt es eine polnische Weihnachtsgans ?
Kazimierz: Ja, und die wird jedes Jahr immer besser. Die letzte Gans war super, obwohl: War das eine Gans oder Ente ? Ich weiß es gar nicht. Davor waren die immer etwas überbraten. Aber letztes Weihnachten war ganz super. Wir waren auch noch in der katholischen Kirche und danach im Schnoor. Dort haben wir eine gute Bekannte getroffen. Wir wurden zum Glühwein eingeladen. Es war schon toll und auch nicht so kalt. Das wird dieses Jahr genauso.
Super, damit sind wir bei den guten Vorsätzen angelangt. Vielen Dank für die Einladung und für das gute Gespräch.
Interview: Mathias Rätsch, www.raetsch.de, Fotos: Kerstin Rolfes, www.kerstinrolfes.de