»buten un binnen« berichtete im September: »Seit Monaten warten die Elternverein-Kitas darauf, dass die Bildungsbehörde die Richtlinien anpasst. Einzelne Elternvereine beschweren sich mittlerweile über eine »Hinhaltetaktik«. ... Bei der Behörde heißt es dazu, derzeit werde eine Senatsvorlage zur Übernahme der Tariferhöhung vorbereitet. Man halte die Tarifanpassung für rechtlich verpflichtend, allerdings: Ob das auch zeitgleich zum Öffentlichen Dienst erfolgen muss, werde noch geprüft.« Familien in Findorff e.V. ist mit rund 150 Betreuungsplätzen, 35 pädagogisch ausgebildeten MitarbeiterInnen und acht Standorten eine der größten Kinderbetreuungs-Einrichtungen in Findorff. Mehr Infos auf www.familien-in-findorff.de
Die Tariferhöhung für die MitarbeiterInnen im öffentlichen Dienst, die es im Januar diesen Jahres gab, wurde nicht zeitgleich für die Elternvereine in Bremen umgesetzt. »Gleicher Lohn für gleiche
Arbeit !« – der Slogan hat für die Vereine keine Gültigkeit. Habt ihr den Eindruck, dass die Bildungsbehörde an Elternvereinen wie »Familien in Findorff e.V.« (»fif«) spart, indem sie diese Erhöhung nicht oder aber vielleicht noch verspätet umsetzt ?
Aynil: Ja, das ist doch ganz offensichtlich.
Melina: Ja, der Eindruck verstärkt sich immer mehr, nicht nur bezogen auf das Gehalt, sondern auch auf die Ausstattung der Kindergruppen von Elternvereinen.
Eure Arbeitsaufgaben als Erzieherinnen sind komplex, eure Arbeit ist für unsere gesellschaftliche Entwicklung von enormer Bedeutung. Dennoch fehlt die Anerkennung der politischen Entscheidungsträger durch Angleichung der Gehälter. Wie geht ihr damit um ?
Aynil: Es entwickelt sich eine große Frustration unter den MitarbeiterInnen, Unverständnis und Enttäuschung. Und ich bin verärgert.
Melina: Ich bin fassungslos. Es ist unvorstellbar.
Stichwort: »Erzieherin zweiter Wahl«: Erlebt ihr die Entscheidung der Bildungsbehörde als Abwertung eurer Arbeit ?
Melina: Definitiv. Bei gleicher Arbeit weniger Geld zu bekommen, impliziert, dass wir es der Behörde nicht wert sind, dass unsere Gehälter angepasst werden.
Seht ihr Unterschiede zwischen der Arbeit in einer städtischen Einrichtung und der Arbeit in Elternvereinen ?
Aynil: Prinzipiell gibt es die natürlich nicht. Ich glaube aber, dass der Kontakt zu den Eltern bei uns intensiver ist. Besonders in der Bring- und Abholsituation nehmen wir uns viel Zeit für die Eltern. Die Arbeit ist oft sehr persönlich und familiär.
Melina: Wir kennen das persönliche Umfeld der Kinder, auch weil wir viel im Stadtteil unterwegs sind und beispielsweise Hausbesuche machen. Und wir übernehmen viele organisatorische Aufgaben. Wir gestalten unser Arbeitsumfeld. Das ist eine Herausforderung und eine Bereicherung. Auch möchten wir gerne mit dem Mythos ausräumen, dass die Eltern bei »fif« kochen, putzen und in den Gruppen aushelfen müssen.
Susanne, du bist als Geschäftsführerin in unserem Elternverein »fif« angestellt. Befürchtest Du jetzt eine Abwanderung von ErzieherInnen in städtische Einrichtungen ?
Susanne: Das ist bereits passiert. Ich kann zur Abwanderung von MitarbeiterInnen als Veranschaulichung an dieser Stelle eine ganz konkrete Zahl nennen: In den letzten fünf Jahren haben bereits neun pädagogische MitarbeiterInnen die »fif« verlassen, weil wir ihren Gehaltsforderungen leider nicht mehr nachkommen konnten.
Siehst du, als Geschäftsleitung, Möglichkeiten, diese materielle Benachteiligung zu kompensieren ?
Susanne: Nein, es gibt keine Möglichkeiten diese Fehlfinanzierung zu kompensieren. Die MitarbeiterInnen möchten entsprechend ihrer Arbeit bezahlt werden.
Am 22. Oktober haben die Elternvereine in Bremen eine Kundgebung auf dem Domshof organisiert. Auch die MitarbeiterInnen der »fif« haben sich aktiv daran beteiligt. Die erhoffte Reaktion ist bisher ausgeblieben. Welche Gefühle hinterlässt das ? Sollten die Elternvereine vermehrt in den Protest gehen ?
Susanne: Auf jeden Fall ! Eine Erklärung von der zuständigen Senatorin, weshalb eine Erzieherin bzw. ein Erzieher bei »fif« die Erhöhung bisher nicht bekommt, steht noch aus.
Wenn wir das Gehalt der »fif«-MitarbeiterInnen mit einem Gehalt nach den Tarifen im öffentlichen Dienst vergleichen: Wann wäre die Arbeitswoche für uns zu Ende ?
Susanne: Dann könnten die meisten MitarbeiterInnen von »fif« schon donnerstags um 14:00 Uhr ins Wochenende gehen.
Trotz niedriger Gehälter bleibt ihr weiterhin bei »fif«. Was sind eure Gründe?
Aynil: Ganz klar: Es sind die KollegInnen und das tolle Team. Es gibt einen großen Zusammenhalt der MitarbeiterInnen, gerade auch in Situationen, die beruflich belasten.
Melina: Wir haben ein Klima des Vertrauens geschaffen und kommen sehr gern zur Arbeit. Wir fühlen uns hier einfach total wohl.
Susanne: Ich kann Melina nur zustimmen.
Interview: Ulrike Schönig, Fotos: Dennis Schmidt, Interview erschienen in Ausgabe Nr. 32, 2024